5 Westsahara + Mauretanien

4. Februar 2008

Der Harmattan, der Wind der in der Sahara beständig Richtung Atlantik weht – in unsern Reiseführern wurde gesagt, dass er im Winter oft auffrischt. Ich stellte mir das als recht unangenehm vor. Doch nun wissen wir was es bedeutet: Immer und überall Sand. Sand in den Kleidern, in allen Taschen und Kisten, in allen Töpfen und Tassen, im Brot und zwischen den Zähnen und haufenweise im Luftfilter. Einige Male mussten wir im Auto essen und konnten vor lauter Wind kaum schlafen. Doch was der Harmattan wirklich bedeutet realisierten wir erst, als wir Chantal und Antonie trafen, die in der Westsahara mit Fahrrädern unterwegs waren. Wir konnten die 1500 km durch dieses flache, öde Land wenigstens in 2 Tagen hinter uns bringen (wegen dem Wind mit 3-4 Litern mehr Dieselverbrauch als normal), sie brauchten dafür etwa 14 Tage.

Dakhla ist die letzte Stadt vor der mauretanischen Grenze, auf einer Halbinsel gelegen und mit unendlichen völlig unverbauten Sandstränden. Hier stellten wir unser Auto für zwei Tage ab, genossen das Wasser und das Nichtstun, füllten noch einmal all unsere Vorräte für Mauretanien auf und genossen die letzte Tajine. Am nächsten Morgen früh ging’s los Richtung Mauretanien, das bedeutete, nochmals bei starkem Harmattan 400 km durch topfebene Kieswüste. Nun gab es immer wieder Warnschilder wegen der Landminen, welche sich überall neben der Strasse befinden. Wir trauten uns keinen Meter von der Strasse weg, doch überall befanden sich Nomaden mit ihren Tieren, die gar keine andere Möglichkeit haben, als sich in diesem Land zu bewegen. Wenn wieder mal ein Touristenauto gesprengt wird, kommt das in den Medien. Die Nomaden interessieren bei uns aber kaum einen?

Von der marokkanischen-mauretanischen Grenze wird gesagt, dass sie eine der langwierigsten in ganz Afrika sei. Tatsächlich muss man auf der marokkanischen Seite erstmals in drei verschiedene Büros wo alle Angaben aus den Pässen von Hand abgeschrieben werden. Danach wird das Auto kontrolliert. Und als letztes muss man noch beim Chef selber vorbei, welcher auf einem Plastikstuhl im Schatten einer Akazie sitzt (sein Assistent liegt daneben und schläft) und zum Abschluss die Angaben aus dem Pass noch einmal abschreibt. Logisch!??? Wenn man dies hinter sich gebracht hat, kommt man auf eine Piste mit unzähligen Schlaglöchern und versandeten Stellen, die kurvenreich etwa vier Kilometer durch völlig vermintes Gebiet führt. Überall stehen total ausgebrannte Autos herum, aber keiner kommt auf die Idee, in diesem Niemandsland die Strassen zu teeren. Und wie könnte es anders sein, auch hier weiden die Kamele friedlich! Die mauretanische Grenze hätten wir erst fast nicht erkannt. Ein paar kleine schiefe Lehmbuden stehen herum, sonst nichts.

Uns wunderte es, dass Mauretanien nicht einen besseren ersten Eindruck erwecken will. Schon im ersten Büro machten wir Bekanntschaft mit den berühmt-berüchtigten korrupten Beamten. Als Andi für den Zollbeamten kein Cadeau bereit hatte, trug er aus Protest Debbie nicht in sein schlaues Buch ein. Das schauten wir aber als kleinen Verlust an (immerhin ging es so etwas schneller), wir schlossen die Versicherung ab, wechselten etwas Geld, wimmelten ungefähr zehn Führer ab, die uns auf der einzigen Hauptstrasse sicher in die nächste Stadt begleiten wollten und fuhren weiter Richtung Süden.

Die Mauretanier sind ein Volk von Nomaden. Der ganzen Strecke entlang sahen wir kaum ein richtiges Haus, dafür immer wieder kleine schäbige Baracken und unzählige Nomadenzelte. Der Zeltplatz auf welchem wir übernachteten, hatte weder Wasser noch Toiletten noch sonst irgendeine Infrastruktur, aber das wichtigste war uns, an einem sicheren Ort zu schlafen. Auch hier windete es sosehr, dass man nur im Zelt kochen konnte.

Am nächsten Morgen beschlossen wir, in den Nationalpark Banc d’Arguin zu fahren. Dies ist ein Naturschutzgebiet direkt am Meer, wo unzählige Vögel sowie auch Delfine, Wale, Schakale und andere Tiere zu finden sind. Aber um dorthin zu gelangen, muss man erst die 40 km Wüste zwischen Hauptstrasse und Meer durchqueren. Es gibt keine direkte Strasse, aber wir hatten die GPS-Daten unseres Zielpunktes, und nun hiess es, sich selber einen Weg suchen. Zu Beginn war das sehr einfach, weil alles topfeben war. Doch schon bald tauchten die ersten Sanddünen auf. Insgesamt mussten wir etwa acht kleinere Dünenkämme überqueren. Um ja nirgends in einem Loch zu landen, wo man nicht wieder raus kommt, mussten wir bei jeder Düne erstmals den Weg zu Fuss erkundigen. Das bedeutete schlussendlich, dass wir für die 40 km Luftlinie ungefähr sechs Stunden gebrauchten.

Am nächsten Tag nahmen wir uns ausgiebig Zeit, um Vögel zu beobachten. Delfine und Wale sahen wir leider keine, dafür aber zwei Schakale, Pelikane, Flamingos, Löffelschnäbel und viele andere Vögel. Ein Führer erklärte uns, dass es im Moment nicht sehr viele Vögel habe wegen dem ständigen starken Wind. Als wir kurz vor dem Dorf waren, wo wir übernachten wollten, blieben wir plötzlich in einer nur ganz wenig sandigen Stelle stecken. Und als Tom runterschalten wollte, ging das nicht mehr, die Gangschaltung war blockiert. Während wir den ganzen Tag nur ein einziges Auto gesehen hatten, hielt genau in diesem Moment ein Auto hinter uns. Wir erklärten dem mauretanischen Chauffeur, dass wir Probleme mit der Kupplung haben. Er schaute sich das Auto an, ging zu seinem eigenen und holte ein Ersatzteil hervor: Genau diese kleine Pumpe müsse defekt sein. Wir sollen doch mit ihm zum Campement fahren, dort könne er uns das reparieren. Für uns war Mohammed wie ein Engel! Nach der erfolgreichen Reparatur bot er uns an, die nächste Strecke zusammen zu fahren. Diese Strecke verläuft nämlich direkt dem Sandstrand entlang bis zur Hauptstadt und kann nur bei Ebbe befahren werden, da die Sanddünen bis ins Meer hinein ragen. Diese Landschaft ist absolut phantastisch: Dünen, Strand, Vögel und absolute Einsamkeit.

In Nouakchott wollten wir eigentlich nur eine Nacht bleiben und dann weiter nach Senegal und noch zehn Tage Badeferien machen. Doch kaum hatten wir das Verkehrschaos der Stadt verlassen gab es einen Schlag, und die Kupplung war definitiv zerstört. Mit Hilfe von Zwischengas fuhr Andi Mitten durch die Stadt bis zur Nissan-Garage. Weil er nicht mehr schalten konnte, fuhr er wie ein Mauretanier: Hupen und durch! Wir waren extrem enttäuscht: Anstatt Strandferien standen uns nun einige Tage in dieser staubigen Wüstenstadt bevor. Doch Andi schaffte es, die Mechaniker mit einem Petit Cadeau zu überzeugen, bis am nächsten Tag eine neue Kupplung zu organisieren und einzubauen. Als wir abends nochmals vorbei schauten, war der Chef aus dem Häuschen: Die Kupplung war nicht etwa durch geschliffen, sondern die Platte war in der Mitte zerbrochen! Bisher konnte uns das noch kein Mensch erklären? Abends hatten wir Lust auf wieder einmal Pizza. Und wer kommt zur Türe rein spaziert? Steffi und Philip mit Jaline und Jamie, zwei Südafrika-Engländern! Am nächsten Tag nahmen wir das Auto glücklich in Empfang und fuhren sofort los Richtung Süden. Doch nach nur drei Kilometern funktionierte die Kupplung nicht mehr!

Völlig am Boden zerstört kehrten wir zur Garage zurück. Sie schauten sich das Ganze an und sagten, der gesamte Motor müsse wieder ausgebaut werden. Es war 15 Uhr, eine Stunde später schloss die Garage, und dann folgten zwei Tage Wochenende. Also nichts mit Senegal. Wir waren am Boden zerstört, besonders Tom und Debbie, welche ja eine Woche später nach Hause fliegen mussten. Unsere letzte Idee war, Tom und Debbie zu Steffi und Philip zu schicken, um zu fragen, ob sie mit ihnen in den Senegal fahren dürften. Auch die Mechaniker waren am Boden zerstört, sie hatten sich solche Mühe gegeben und wirklich alles gegeben, und nun das. Doch tatsächlich machten sie sich noch einmal an die Arbeit, und wie! Wer hätte das gedacht: Innerhalb von nur vier Stunden war der Schaden behoben! Offenbar hatten sie uns eine billige Kupplung eingebaut, welche nach nur 3 km schon zerstört war. Doch nun lief unser Yusuf wieder, und endlich konnten wir Mauretanien verlassen! Die letzte Nacht in Nouakchott schliefen wir schlecht, da wir von Maschinengewehrfeuer aufgeweckt wurden, und noch stundenlang immer wieder Schüsse zu hören waren. Später stellte sich heraus, dass ein Überfall auf die israelische Botschaft stattgefunden hatte.

Nun ging es nur noch darum, die mühsamste Grenze von ganz Afrika hinter uns zu bringen. Man kommt sich so verarscht und ausgeliefert vor, wenn immer und überall irgendwelche Gebühren verlangt werden, von denen man nicht weiss, ob sie offiziell oder Schmiergeld sind. Doch zwei Stunden später und etwa um 50 Franken leichter hatten wir den Zoll überschritten. Wir sind im Senegal!!