21 Äthiopien

Lake Turkana – Omorate – Turmi – Jinka – Arba Minch – Lake Langano – Addis Abeba – Mekelle

Äthiopien – unser letztes Reiseland! Nachdem wir endlich das Visum gekriegt hatten und die unglaublich schöne Piste den Lake Turkana hoch gefahren waren, freuten wir uns sehr, nach fünf Jahren wieder nach Äthiopien zurück zu kehren. Noch immer waren wir mit Volker und Eric unterwegs, und wollten zusammen den Süden bereisen, ein paar Tage an einem See ausspannen, und dann mit unserm Einsatz im Youth Center in Mekelle beginnen.

Als wir laut GPS endlich die äthiopische (grüne) Grenze erreichten, fuhren wir voller Freude durch die weglose sandige Ebene Richtung Norden – und verpassten prompt die äthiopische Zollschranke, die inmitten von Nichts neben einer Wellblechhütte und einer Flagge steht. Als uns die Leute mit Gewehren nachrannten, kehrten wir schnell um und liessen uns umständlich in ein dickes Buch eintragen. Zu unserm Ärger wurde uns erklärt, wir dürften nicht ohne Polizeibegleitung zum Immigrationsbüro in Omorate fahren. Wir diskutierten lange und sagten, wir bräuchten keine Hilfe – bis sich herausstellte, dass sie nur unbedingt die Mitfahrgelegenheit nutzen wollten, da hier oft nur wöchentlich oder noch seltener ein Auto vorbei kommt. So erbarmten wir uns schlussendlich und fuhren mit Menschen, Hühnern und Getreidesäcken beladen nach Omorate.

Im Immigrationsbüro von Omorate wurde uns mitgeteilt, dass wir leider nicht einreisen könnten, da wir für unsere Autos keine Deklarationsformulare hätten. Keiner von uns hatte jemals von solchen Formularen gehört, und wir erklärten lang und breit, warum man bei uns eine Ausnahme machen sollte. Der Beamte schickte uns weg und sagte, wir sollen in einer Stunde wieder kommen. So nutzten wir die Zeit, um auf dem Schwarzmarkt ein paar Birr einzutauschen (natürlich zu einem katastrophalen Kurs) und ein paar Fotos von den farbenfroh gekleideten Frauen zu knipsen. Zurück beim Zoll hatten sie beschlossen, uns einreisen zu lassen und durchsuchten nur noch schnell unsere Autos.

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Die Omo-Region von Südäthiopien wird auch als „Museum der Völker“ bezeichnet, hier leben viele Volksstämme noch sehr ursprünglich, und schon in Omorate staunten wir über die barbusigen Frauen und die aussergewöhnlichen Frisuren der Männer. Wir wollten gerne ein paar Dörfer besuchen und wenn möglich auf Wochenmärkte gehen. Auf einer Wellblechpiste fuhren wir nach Turmi, in das Gebiet des freundlichen Hamer-Volkes. An den Strassenrändern winkten uns die schwer beladenen, nur mit Lederschürzen und Schmuck bekleideten Hamerfrauen mit ihren hübschen Frisuren zu, wir kamen uns um Jahrhunderte zurück versetzt vor. Hier fanden wir eine schöne Campsite, Volker kochte uns ein herrliches Curry (er hatte immer noch Fleischreserven!), und am Campfeuer diskutierten wir noch stundenlang über Gott und die Welt.

Nachdem die Jungs auf der Campsite irrwitzige Preise für die Besichtigung eines Hamer-Dorfes verlangten (und wir wussten, dass das Geld grösstenteils in ihre eigenen Taschen und nicht ins Dorf fliessen würde), beschlossen wir, auf eigene Faust einen Dorfbesuch zu arrangieren. Nach ein paar missglückten Versuchen kamen wir in ein Dorf, wo sie gerne einen Deal mit uns machen wollten, und wir verhandelten mit ihnen den Preis für eine Tanzvorführung, Fotoshooting und die Übernachtung im Dorf – das alles ohne ein Wort Englisch ihrerseits! Zum Glück konnten wir noch ein paar Brocken Amharisch von unserm letzten Äthiopien-Aufenthalt….

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Was dann folgte war eine unvergessliche Begegnung mit diesen traditionell lebenden Menschen! Nach der Tanzvorführung hatte Eric die Idee, dass wir ihnen nun unsererseits ein paar Dinge zeigen könnten, um das Eis zwischen uns zu brechen. Wir zeigten ihnen Familienfotos und Eric liess sie in sein Dachzelt klettern. Danach überzeugte uns Andi von seiner Idee, eine Ziege zu kaufen und zubereiten zu lassen. Als auch dieser Deal stand, wurden wir plötzlich in eine Hütte gerufen, wo uns Tee aus Kalebassen angeboten wurde. Dann wurde uns die Ziege vorgeführt, fachmännisch geschlachtet und ausgenommen und an Holzspiessen im Feuer gebraten. Andi, der Grillmeister, lieferte die Marinade, und nach etwa zwei Stunden assen wir zusammen mit den Dorfbewohnern (tja, leider nur mit den Männern?) genüsslich das Ziegenfleisch. Zum Schluss wurde uns sogar eine Kalebasse mit Honig zum Dessert gebracht.

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Schon früh am nächsten Morgen hatten sich die Bewohner wieder um unser Auto versammelt und schauten uns neugierig bei der Morgentoilette zu. Es war Markttag im nächsten grössern Ort, und wir erklärten uns bereit, einige Leute mitzunehmen. Mit ein paar Geschenken verabschiedeten wir uns, und werden die Hamer für immer in bester Erinnerung behalten!

Der Hamer-Markt in Dimeka war ein weiterer Höhepunkt, denn die Leute putzen sich nicht etwa für die Touristen heraus, sondern ganz einfach für den Marktbesuch! In ihren bestickten Lederschürzen, die Frauen reich mit Schmuck behangen, die Männer mit ihren „Lehmfrisuren“ und Federn als Kopfschmuck, handelten sie mit Früchten, Tomaten, Holzkohle und Unmengen von sauer stinkender ranziger Butter.

Im grösseren Ort Jinka planten wir, Geld zu wechseln, eine SIM-Card zu kaufen, zu tanken und die Vorräte aufzufrischen. Doch der Ärger begann, als man von uns mehr als 5 Fr. verlangte, nur um in das Dorf hinein zu fahren. Danach waren wir ständig von Jungs umgeben, die alle Preise in die Höhe trieben, ein mühsames Gestürm. Wir fanden heraus, dass SIM-Cards in Äthiopien unglaublich teuer und offiziell nur in Addis erhältlich sind und hatten von der Abzockerei sehr bald die Nase voll. Wir wollten von Jinka in den Mursi Nationalpark fahren, nicht etwa wegen der Tiere (leider ist der Park fast leer gewildert), sondern wegen dem Volk der Mursi, den berühmten Tellerlippen-Frauen. Wir hatten zwar nicht allzu viel Positives von den Dorfbesuchen bei den Mursi gehört, sie seien recht unfreundlich und fordernd den Besuchern gegenüber. Trotzdem beschlossen wir, es zu versuchen. Kurz vor dem Nationalpark-Gate fanden wir einen wunderschönes einsames Buschcamp, für uns wohl das letzte dieser Reise.

Im Hauptquartier des Nationalparks sprachen sie nicht viel mehr Englisch als wir Amharisch, doch alle waren sehr hilfsbereit und hatten offensichtlich Spass an unserer Kommunikation mit Händen uns Füssen. Man erklärte uns, dass man im Mursi-Dorf für jedes Auto noch einmal ziemlich viel Eintritt bezahlt, so liessen Volker und Eric ihre Autos stehen, und wir quetschten uns zusammen mit unserm (obligatorischen) Scout Tadele in unsern Yusuf. Als wir gegen Mittag im Mursi-Dorf ankamen, schlug uns schon eine Alkohol-Fahne entgegen. Vor allem Volker und Andi, die Fotoapparate hatten, waren zu bedauern, ständig wurde von allen Seiten an ihnen herumgerissen, und die Leute forderten, fotografiert zu werden (natürlich gegen Geld).

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Unser Scout war Gold wert, er wies die allzu aufdringlichen Leute fort, warnte uns vor den zu betrunkenen Bewohnern und half uns auch, als die Mursi zum Schluss plötzlich noch einmal mehr Geld wollten. Normalerweise würden wir bei so irrwitzigen Forderungen einfach wegfahren, doch in Südäthiopien läuft jeder zweite Mann mit einem Gewehr herum! Dieser Besuch war schon recht beelendend, insbesondere wenn wir uns überlegten, dass das Geld, das wir ihnen als Eintritt und für die Fotos gegeben hatten, wohl unverzüglich in weiteren Alkohol umgesetzt werden würde (in den meisten Dörfern, die wir bisher besucht hatten, floss das Eintrittsgeld in eine Schule oder die Gesundheitsversorgung des Dorfes). Gerne wären wir von hier weiter Richtung Osten, in den noch abgelegeneren Omo-Nationalpark gefahren. Doch der Beamte des Nationalparks erklärte uns glaubwürdig, dass es keine Möglichkeit gibt, den Omo-Fluss zu überqueren, und so fuhren wir zurück nach Jinka (wo sie nochmals Geld wollten, damit wir das Dorf wieder verlassen durften), und von dort nach Kako, wo gerade ein Montagsmarkt stattfand. Auch dieser war hübsch, obwohl er nicht ganz so ursprünglich war.

Äthiopien ist definitiv nicht ein einfaches Reiseland. Obwohl wir wirklich schon an Touristen-Bettelei und Möchtegern-Führer gewöhnt sind, hat das alles hier noch ein viel grösseres Ausmass. Sobald wir von irgendeinem Äthiopier entdeckt wurden, rannte er mit ausgestreckter Hand auf unser Auto zu, egal ob Kind oder Erwachsener, ärmlich oder gut gekleidet, Mann oder Frau. Wir fragten uns ganz ernsthaft, weshalb das Betteln hier eine solche Seuche ist, und mit der Zeit machte es uns ganz einfach mürbe und aggressiv. Dazu kam, dass ab und zu auch Steine Richtung Auto flogen. Wir liessen uns das nicht gefallen, hielten an und erklärten den Erwachsenen, dass wir das sehr gefährlich fänden, worauf sie uns immer versprachen, den Übeltäter zu bestrafen. Doch auch das war aufreibend, brauchte viel Zeit und brachte uns in eine Art „Lehrmeisterrolle“, die wir eigentlich überhaupt nicht wollten.

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Da Andi und ich Äthiopien schon kannten, und für uns die guten Erlebnisse weit überwogen, konnten wir über vieles hinwegschauen, für Eric und Volker war das schon schwieriger. Wir diskutierten lange darüber, was wir machen können, um nicht verbittert und aggressiv durch dieses wunderschöne Land zu reisen.

Nach der intensiven Reise durch den Süden brauchten wir vor unserer Zeit im Projekt in Mekelle noch ein paar Tage Ruhe und fuhren dazu an den Lake Langano, während es Volker und Eric in die Bale-Mountains zog. Wir fuhren zum schön gelegenen und sehr teuren Bekelle Mola Hotel, wo wir einfach lasen und ausspannten – bis das Party-Volk von Addis auftauchte, und direkt neben unserm Auto Lautsprecher installierte. Und dann ging’s los, je später der Abend desto lauter. Wir versuchten, bei der Rezeption Hilfe zu bekommen, aber der einzige Kommentar war: „So ist es hier halt am Wochenende.“ Erbost fuhren wir mitten in der Nacht in den äussersten Winkel des Hotels, um noch ein paar Stunden schlafen zu können. Am nächsten Morgen gingen wir zur Rezeption und sagten, wir würden nicht bezahlen für eine durchwachte Nacht – doch sie schlossen ganz einfach das Gate, damit wir sicher nicht ohne zu bezahlen wegfahren konnten. Doch die Rettung des Tages angefahren: Eric und Volker erschienen mit der Nachricht, sie hätten einen wunderschönen Campingplatz gefunden! Nach einer ziemlichen Szene blieb uns leider nichts anderes übrig als zu bezahlen, aber dann wandte sich alles zum besten: Unser neuer Platz war wunderbar ruhig gelegen, die Angestellten freundlich und hilfsbereit, und wir genossen drei wunderbar ruhige Tage am See.

Und dann hiess es Abschied nehmen von Eric und Volker. Wir haben uns mit den beiden Jungs super verstanden und hatten eine so intensive Zeit hinter uns, dass uns der Abschied ein wenig schwer fiel. Denn nun endete unser Overlander-Abenteuer Schweiz-Äthiopien, wir fuhren nach Addis zum Guesthouse von SIM, unserer Mission. Dort wurden wir sehr herzlich empfangen, genossen ein paar Tage herrliches Essen und spannende Begegnungen, gewöhnten uns langsam wieder an ein normales Bett (wir lieben unser Dachzelt!!!) und machten den ganzen Administrations-Kram (von Zollbehörden über Schweizer Botschaft und Organisation einer SIM-Card bis zu Autoreparaturen).

Und dann ging es definitiv los nach Mekelle! Auf dem Rückbank hatten wir Matts und Heledd aus England (also Wales), die genau gleichzeitig wie wir in Addis eintrafen, und etwas länger als wir im Youth Centre in Mekelle arbeiten werden. Die Fahrt war phänomenal schön, die Strasse läuft dem Grabenbruch entlang, in engen Kurven geht es immer wieder auf über 3000 m hoch, und wieder runter in trockenes Savannenland, wo es von Kamelen wimmelt. Mekelle entpuppte sich als sehr untypische Stadt, die Strassen sind breit und mit Bäumen bepflanzt, es ist relativ ruhig und nicht so mit Menschen vollgestopft wie in andern Orten. Wow! Auch sonst wurden unsere Erwartungen bei weitem übertroffen: Andi und ich haben ein eigenes Häuschen mit Garten und Guard und Hund (so sesshaft waren wir noch nie!), die Läden in der Stadt haben eine sehr gute Auswahl an Lebensmitteln, und das Youth Centre inkl. Staff sieht genial aus! Wir haben nun noch ein paar Tage Einführungszeit, bevor wir uns am Montag definitiv in die Arbeit stürzen werden!

Ja, das war’s dann mit unserm nomadischen Abenteuer! Wir hoffen, wir konnten dich ein wenig in diesen faszinierenden Kontinent entführen. Falls du gerne über unsere Zeit im Projekt informiert werden möchtest, schreib uns doch einfach kurz ein Mail!

Liebe Grüsse von

Coni und Andi