6 Senegal I

13. Februar 2008 

Waren wir froh, endlich in Senegal zu sein! Der erste Eindruck war zwar nicht gerade der beste: Innerhalb der ersten 50 km wurden wir von drei Polizeikontrollen angehalten. Sie sammelten die Pässe von Andi und Tom ein und schrieben wieder einmal alles ab (die Pässe der Frauen brauchten sie nicht, „les hommes sont responsables pour les femmes!“). Ausserdem wollten sie petit cadeaux und erklärten uns, dass es im Senegal verboten sei, auf der gleichen Sitzbank Personen und Gepäck zu transportieren! Tja, da bleibt einem nichts anderes übrig als freundlich bleiben und Geduld.

Doch bald erreichten wir St. Louis und die berühmte Zebrabar, die von einer Schweizer Familie geführt wird. Uns gefiel es da auf Anhieb wunderbar! Der Platz liegt an einer Lagune, inmitten eines Vogelparks, er hat einen hohen Turm, von welchem man aufs offene Meer sieht. Mit dem Kanu kann man in 15 Minuten ans Meer hinaus paddeln, und es ist alles sauber und freundlich. So entschlossen wir, hier eine Woche zu bleiben, anstatt an die Petit Côte zu fahren. Es war eine wunderschöne Woche mit viel lesen und baden, einigen Arbeiten am Auto, Karten schreiben, einem Ausflug in die Stadt St. Louis, gemütlichem Essen? Halt richtige Ferien!

Dabei haben wir auch eine „Touristenstudie“ gemacht, denn es gibt die unterschiedlichsten Leute, die mit den unterschiedlichsten Motivationen in Afrika unterwegs sind. Da sind einmal die Wohnmobil-Touristen, zum grössten Teil Franzosen. Tja, vielleicht tun wir ihnen ja unrecht, aber die viele die wir trafen, haben einfach ihr ganzes Wohnmobil mit Essen voll gestopft und es möglichst auf einen Platz gestellt, wo man nichts bezahlen muss (und dafür den Abfall liegen lassen kann). Wenn sie irgendwo anhalten, fahren sie als erstes ihre Satellitenschüssel aus. Mit andern Worten: Viele suchen überhaupt nicht die Begegnung mit Afrika, sondern billige warme Ferien. Kein Wunder, wenn da Touristen oft respektlos behandelt werden! Es gibt aber auch erstaunlich viele Lastwagen-Touristen, die sich einen MAN oder Unimog umgebaut haben und so Afrika bereisen. Sie sind damit recht geländegängig und haben unglaublich viel Platz zum wohnen oder Zeugs mitschleppen. So gibt es viele, die haben hinten auf einer Plattform noch Motorräder oder einen Squad dabei. Andere nehmen eine Gefriertruhe mit in die Sahara oder eine Dusche mit 400l-Tank. Ich will da keinen Kommentar dazu geben. Eine lustige Gattung von Touristen sind diejenigen, die mit einem alten Auto und einem Zelt im Kofferraum unterwegs sind. Das finde ich recht bewundernswert! Natürlich gibt es auch die Geländewagen, vor allem Toyotas und Defender. Der Vorteil an kleinern Autos ist, dass man sich nicht den ganzen Tag in ihnen verbunkern kann. Die Helden sind natürlich die Fahrradfahrer! Aber ich würde das nie im Leben machen!

Zwei Tage bevor Tom und Debbie zurück fliegen mussten, fuhren wir nach Dakar hinein. Diese Stadt mit 2-3 Mio. Einwohnern liegt auf einer schmalen Halbinsel und ist nur auf einer einzigen Strasse zu erreichen, die 2- bis 4spurig ist. Das Verkehrschaos könnt ihr euch ja ausmalen… Wir besichtigten die Ile Gorée, die ehemalige Sklaveninsel. Es ist unvorstellbar grauenhaft, wie die Sklaven dort behandelt wurden! Ein Erbe, das uns die Afrikaner noch längst nicht verziehen haben. Im krassen Gegensatz zu ihrer Vergangenheit ist die Insel wunderschön und malerisch. Das Stadtzentrum hingegen ist der blanke Horror: Ohne Ende wird man von Schleppern betatscht, belästigt, in die Läden gerissen, beschimpft wenn man nichts kauft. Andi wurde beinahe das Portmonee entrissen und wir wollten nur noch weg dort. Zum Glück fanden wir noch ein schönes Restaurant, wo wir den Abschluss der Reise von Tom und Debbie feierten.

Am nächsten Morgen brachten wir sie in aller Frühe an den Flughafen. Das war schon etwas traurig, denn auch sie sehen wir jetzt ein Jahr nicht mehr. Jetzt sind wir ganz allein unterwegs. Wir mussten aber noch etwas in Dakar bleiben, um das Malivisum zu beantragen und ein paar Kleinigkeiten an Yusuf machen zu lassen. Doch wir mieden ab sofort das Stadtzentrum, und plötzlich war Dakar gar nicht mehr so schlecht, wir begegneten vielen sehr freundlichen Menschen. Der Höhepunkt war der Besuch bei Rachel und Urs, sie arbeiten in einem Kinderheim, wo ehemalige Strassenjungs aufgenommen werden, in die Schule gehen können und dann einen Beruf erlernen. Dieses Projekt beeindruckte uns sehr, weil wir mit eigenen Augen sahen, wie ehemals drogenabhänige Jungs nun zu lebensfrohen Teenagern wurden. Meist sind die Jungs ehemalige Koranschüler, die aber anstatt den Koran zu lernen oft nur den ganzen Tag für ihren Lehrer betteln müssen und ausserdem sehr schlecht behandelt werden. Überall sieht man diese Talibé, und für mich ist es sehr schwierig, wie mit ihnen umzugehen. Auf der einen Seite tun sie mir extrem leid, weil sie wirklich hungern müssen. Andererseits will ich dieses System nicht unterstützen, denn die Koranlehrer können sich auf Kosten der Betteljungen ein sehr luxuriöses Leben leisten, und schicken ihre eigenen Kinder nicht etwa in die Koranschulen, sondern in Privatschulen!

In der Zwischenzeit sind wir an der Petit Côte, der Küste südlich von Dakar. Es ist wunderschön hier, wir haben einen Platz mit direkter Meeressicht, Sandstrand und Swimmingpool. Ausserdem befindet sich gerade ein Fussballclub der senegalesischen „Superligue“ hier. Gestern haben sie für uns Tee gekocht, sie sind sehr kontaktfreudig und aufgeschlossen. Wir haben gefragt, ob es in ihrer Mannschaft Spieler der Nationalmann gäbe. Sie erklärten uns aber, dass alle Spieler der Nati in europäischen Clubs spielen. Fussball ist einfach die Gelegenheit, um nach Europa zu kommen. Doch weil wir vom Präsident der Mannschaft soeben zum Lazarett und zur Medikamentenausgabestelle erkoren wurden, müssen wir uns jetzt wieder ein wenig abgrenzen. Wir bleiben noch einen Tag an diesem wunderschönen Ort, und dann geht es weg vom Meer, Richtung Mali.