16 Malawi

1. Juli 2008

Lilongwe – Cape Maclear – Senga Bay – Chinteche – Livingstonia

Malawi ist ein freundliches kleines Land (etwa dreimal so gross wie die Schweiz) mit einem riesigen See. Der Westen liegt auf einer Hochebene, die dann atemberaubend Richtung Lake Malawi abfällt. Da wir kurz nach der Regenzeit kamen, war alles grün, überall sprossen Mais, Bananenstauden, Papayas und Maniok. Und sowieso war überall Leben in diesem Land, auf den Strassen wimmelte es nur so von Menschen, Tieren und völlig überfüllten Minibussen. Am meisten beeindruckten uns jedoch die Velofahrer, die mehrere Kartoffelsäcke, Stühle, Türme von Holz, Beifahrer mit Kind auf dem Rücken und Gepäck auf dem Kopf oder Ziegen auf ihre Gepäckträger klemmten und dann im Slalom die Strasse entlang fuhren, bzw. im Notfall in den Strassengraben flohen. Endlich hatte es auch wieder richtige Märkte mit Bergen von schönen Früchten und Gemüse. Wenn wir uns nicht gerade in touristischen Zentren befanden, waren die Menschen sehr umgänglich und freundlich, aber als Tourist gerät man leider nicht nur an die nettesten Leute. So war unser Anfang in Malawi wieder recht nervenaufreibend.

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Die Schweizer sind wohl die einzigen, die für Malawi ein Visum brauchen. Aber laut Reiseführer ist das nicht ein grosses Problem, an der Grenze kriegt man eine Aufenthaltserlaubnis für drei Tage und damit kann man sich in der Hauptstadt ein Visum ausstellen lassen. Was wir leider nicht wussten ist, dass sich diese Regelung geändert hat. An der Grenze gibt es überhaupt nichts mehr, man muss zurück in die letzte Hauptstadt und sich die Erlaubnis dort besorgen! Für uns hätte das bedeutet, 600 km auf durchlöcherter Strasse nach Lusaka zurück zu fahren. Doch schon nach kurzer Diskussion wurden wir ins Büro des obersten Zollbeamten gebeten. Was dann folgte, war ein sorgfältig einstudiertes Theater, in dem uns der Beamte klar machte, dass er doch unmöglich das Malawische Recht brechen könne und nach etwa einer halben Stunde durchsickern liess, dass er das Recht vielleicht doch brechen würde, aber da müsse für ihn schon was dabei herausspringen. Da wir natürlich nicht nach Lusaka zurück wollten, bestachen wir ihn zähneknirschend mit 10$, bevor wir die Strecke nach Lilongwe unter die Räder nehmen konnten.

In Lilongwe deckten wir uns wieder einmal so richtig ein, zuerst ganz unkompliziert mit dem Malawi-Visum, dann mit Lebensmitteln und vor allem Diesel. Und da bei Yusuf auf schlechten Pisten die Hinterachse immer noch schlug, liessen wir auch das im 4×4-Center erledigen. Zum Schluss wollten wir auf dem Markt noch frisches Gemüse besorgen. Da wie immer der Stadtplan schlecht und die Strassen nicht angeschrieben waren, mussten wir etwas suchen. Als wir den Markt endlich gefunden hatten, waren wir an der Parkplatz-Einfahrt schon vorbei gefahren, weshalb wir wendeten und 50 m zurückfahren wollten. Aber da winkten und hupten uns die Leute zu, wir seien hier in einer Einbahn. Da in Afrika die Einbahnstrassen nur beschildert sind, wenn man von der falschen Seite hineinfahren will, konnten wir das ja nicht erahnen. Doch schon stand ein Polizist neben uns, und forderte uns auf, ins Hauptquartier mitzukommen. Wir waren natürlich stinksauer, doch der Polizist liess nicht mit sich reden. Erst als wir uns weigerten, seinen Bericht zu unterschreiben, liess er uns mit seinem Boss sprechen. Und tatsächlich schaffte es Andi, diesen von unserer Unschuld zu überzeugen. Uiuiui war der Polizist wütend! Für uns war es jedoch etwas eine Genugtuung, dass die Beamten hier nicht alles mit uns machen können.

Jetzt brauchten wir definitiv ein paar schöne und ruhige Tage am See. Auf wunderschönen aber ziemlich schlechten Strassen fuhren wir nach Cape Maclear, ganz im Süden des Lake Malawi. Der See ist mit fast 600 km Länge der Drittgrösste in Afrika und liegt am südlichen Ende des Zentralafrikanischen Grabenbruches (Western Rift Valley). Eine der grossartigsten Besonderheiten des Lake Malawi ist sein ungewöhnlicher Fischreichtum, wobei etwa 95% der Arten endemisch sind, also einzig hier vorkommen. Noch immer werden neue Arten von Buntbarschen (Cychliden) entdeckt, und Hunderte von Arten warten auf ihre Namensgebung.

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Vom Campingplatz Fat Monkey’s in Chembe waren wir von Anfang an begeistert: Ein herrlicher Sandstrand, vorgelagerte Inseln und wunderbare Sonnenuntergänge direkt vom Camping aus. Wir kamen uns mehr wie am Meer vor als wie an einem See. Trotzdem mussten wir uns überlegen, ob wir schwimmen gehen wollten oder nicht, da der See leider mit Bilharziose verseucht ist. Wir erkundigten uns genau über die Behandlungsmöglichkeiten bei dieser Krankheit, und schlussendlich dachten wir uns, dass wohl auch die Duschen an vielen Orten mit Seewasser gespeist werden, und wenn man nicht gerade in einem Dorf badet, sondern etwas ausserhalb in Felsen oder an Sandstränden, ist die Ansteckungsgefahr recht klein.

So machten wir uns auf einem kleinen Boot auf die vorgelagerte Insel auf, wo wir dann mit altem Brot ausgerüstet los schnorchelten. Und tatsächlich hatte man uns nicht zu viel versprochen: Es wimmelte geradezu von Fischen, die meisten waren 6 – 15 cm lang, blau, gelb und schwarz mit allen erdenklichen Mustern. Man kam sich wirklich vor wie im Aquarium, phantastisch! Andi kamen dabei seine Tauch-Erinnerungen wieder hoch, und wir bereuten schon fast ein bisschen, dass wir uns nur mit Schnorcheln zufrieden gegeben hatten. Die nächsten paar Tage verbrachten wir nur auf dem Campingplatz, und zwar grösstenteils hinter dem Laptop. Wir mussten endlich einmal ausführlich Emails beantworten, Fotos aussortieren, Reiseberichte schreiben etc.

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Als wir uns nach einer Woche von Cape Maclear losreisen konnten, war unser Auto gefüllt: Anna und Marina aus Schaffhausen genossen es, einmal mit einem „anständigen“ Auto fahren zu können, und nicht eingequetscht in einem Minibus-Taxi. Auf belebter Strasse ging es dem See entlang, halb Malawi sowie der grösste Teil der Ziegen und Hühner schienen sich an diesem Sonntag auf der Strasse zu befinden, weshalb wir nur langsam vorwärts kamen. Plötzlich tauchte ein PW auf, der in letzter Not einer Ziegenherde und dann uns ausweichen konnte, bevor er an uns vorbei raste. Andi schrie auf – er hatte im Rückspiegel gesehen, wie der Lenker die Kontrolle verloren hatte und es das Auto mehrmals überschlug. Wir hasteten zum Auto, das langsam wieder aus einer Staubwolke zum Vorschein kam und auf der Seite in einem Acker lag.

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Und wie durch ein Wunder stiegen alle Insassen völlig unverletzt aus! Nachdem wir ein paar kleine Schürfwunden desinfiziert hatten, stiegen wir noch immer mit zitternden Knien wieder in unser Auto. Wieder mal war uns bewusst geworden, wie verantwortungslos die Fahrer in Afrika häufig sind, und wie nötig wir Gottes Schutz haben. Nicht zu denken, wenn wir ein paar Sekunden früher oder später gekommen wären und es zu einem frontalen Zusammenprall gekommen wäre. Oder wenn das sich überschlagende Auto einen Fussgänger „mitgenommen“ hätte. Wir waren schon sehr dankbar, als wir endlich heil in Kande Beach (südlich von Chinteke) ankamen.

Kande Beach hatte sich nach unserer Ankunft in einen richtigen Schweizer-Treff verwandelt, nebst einem Paar aus Lausanne trafen wir hier auch Till, der soeben sein Tauch-Brevet abgeschlossen hatte, und davon nur schwären konnte. Nun begann es mich (Coni) definitiv zu jucken, und wir beschlossen, am nächsten Tag in der (von Schweizern geführten Tauchschule) mal zu schauen, ob ich auch einen Tauchkurs machen könnte. Früh am nächsten Morgen erschienen wir dort, und sofort wurden mir alle Unterlagen für den Kurs in die Hand gedrückt. So hatte ich für die nächsten vier Tage meinen privaten und erst noch gut aussehenden Tauchlehrer. Da Andi schon seit 12 Jahren nicht mehr getaucht hatte, machte er einen Auffrischungs-Kurs, während ich mich zum ersten Mal mit Mundstücken, Bleigurten und Tauchanzügen herumschlug. Doch Calvin, der Instruktor, war Spitzenklasse, und nach einiger Überwindung konnten wir schwerelos an den farbigen Fischschwärmen vorbei gleiten und die malawische Unterwasserwelt bestaunen. Nebst dem Tauchen verbrachten wir schöne Abende mit den Schweizern und Calvin, schauten uns die Euro-Halbfinale an und spielten Billard oder Beachvolley, also richtige Ferienstimmung!

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Nach der wunderbaren Zeit am Lake Malawi fiel es uns richtig schwer, uns von all den tollen Leuten zu verabschieden. Dies kombiniert mit ein paar üblen Erfahrungen mit „Beach-Boys“ die uns übers Ohr hauen wollten, verschwunden Kleidern, rücksichtslosen Minibusfahrern und ständig bettelnden Kindern erzeugte bei uns einen richtigen Afrika-Hangover. Wir verbrachten die Autofahrt mit stundenlangen Diskussionen, wie man eigentlich durch Afrika reisen kann, ohne sich den Charakter zu verderben. Manchmal ist es echt schwierig, den Menschen fair zu begegnen, weil man solche Vorurteile aufzubauen beginnt, da tatsächlich viele Afrikaner die Weissen als eine Art Bancomat betrachten (was ja auch nicht wirklich erstaunt). Doch man will sich ja nicht ständig verarschen lassen! Nachdem wir wieder mal so richtig Frust abgelassen hatten, ging es uns schon bedeutend besser.

Unser letztes Ziel in Malawi war die Livingstonia Mission, die sich hoch über dem Lake Malawi befindet. Die Piste führt in atemberaubenden Haarnadelkurven vom See nach Livingstonia hoch, mit Minibussen ist das nicht zu schaffen. Umso dankbarer waren dann die paar Leute, die wir mit hoch nehmen konnten! Der herzliche Austausch im Auto rückte unser Afrika-Bild auch schon wieder in ein anderes Licht. Auf der Terrasse des alten Stone-Houses assen wir unser Znacht mit Aussicht über den See. 1894 wurde die ganze Mission von Dr. Laws aufgebaut, ein beeindruckendes Lebenswerk mit einer wunderschönen Kirche, einem guten Krankenhaus, einer kleinen Universität, Schulen, Waisenhaus und mehr. Was uns vor allem positiv überrascht hat ist die Nachhaltigkeit dieser Mission, die vor über 100 Jahren gegründet wurde und noch immer voll von Leben und Einsatz ist!

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Am nächsten Morgen verabschiedeten wir uns von Malawi, vollbepackt mit Afrikanern ging es nochmals die kurvige Strasse an den See runter, und schon bald darauf erreichten wir die Grenze von Tansania.