11 Südafrika I

13. April 2008

Johannesburg – Drakensberge – Golden Gate NP – Clarens – Graaff Reinet – Addo Elefant NP – Tsitsikama – Mossel Bay – Stellenbosch – Cape Town – Vioolsdrif

Noch nie zuvor sind wir so völlig unvorbereitet an einem Flughafen angekommen. Eigentlich wollten wir ja länger in Ghana bleiben, doch plötlich reizte uns eine Reise durch Südafrika doch zu sehr. So landeten wir in Johannesburg, ohne Reiseführer oder irgend einen Plan. Die einzige lohnenswerte Art dieses riesige Land zu bereisen ist ein Auto, also ging es als erstes zu den Mietauto-Agenturen. Doch unsere Enttäuschung war riesig, als wir merkten, dass es ohne Kreditkarte kein Mietauto gibt! (Tja das mit den Kreditkarten ist eine eigene Geschichte: Coni’s wurde kurz vor unserer Abreise versehentlich gesperrt, für eine neue Karte reichte die Zeit nicht mehr. Und Andis Karte funktionierte leider nie, was wir in Marokko festellen mussten…). So standen wir nach einer Stunde immer noch am Flughafen, doch nun ziemlich ratlos.

In diesem Moment kam Stella angerauscht, die Inhaberin eines kleinen Backpackers auf der Suche nach Kunden. Eine Gratis-Fahrt zu einem Backpackers, das war schon mal ein guter Anfang. Und ab hier lief es rund: Stella konnte uns ein Mietauto arrangieren, wo wir bloss unsere Flugtickets als Depot hinterlegen mussten (wir haben glücklicherweise ein Rückflugticket nach Ghana, das wir natürlich nie gebrauchen werden J)! Da wir noch zwei Tage auf das Mietauto warten mussten, verbrachten wir unsere Zeit in den riiiiesigen Shoppingmalls und kauften als erstes einen Reiseführer, langsam entstand ein Plan für die kommenden zwei Wochen. Danach ging es in einen richtigen Lebensmittelshop (also fast so gut wie Migros!), wo wir Käse, Rahm, Wein, Schokolade, Müesli und Joghurt einkauften. Das Paradies! Coni verbrachte danach den grössten Teil ihrer Zeit in der Küche (also so eine richtige schöne normale Küche!). Und während alle andern Backpackers Fertig-Spaghetti oder Nudelsuppen kochten, kreierte sie ganze Menus.

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Was uns in Jo’burg sofort auffiel, waren die Zäune. Alle Häuser haben Elektrozäune, Tore mit riesigen Schlössern, Alarmanlagen etc. Auf den Strassen sieht man kaum jemanden zu Fuss unterwegs, man fährt mit dem Auto in die nächste Mall, wo man sicher einkaufen kann. Unser Autovermieter bläute uns ein, niemals beim parkieren irgend eine Tasche auf dem Rücksitz oder den Autoradio im Auto zu lassen, sonst würde das Auto aufgebrochen. In Südafrika wird etwa alle 10 Minuten ein Auto geklaut! Doch schon mal vornweg genommen: Wenn man die No-Go-Areas vermeidet und etwas vorsichtig ist, merkt man von der Kriminalität kaum was, insbesondere auf dem Land.

Einen Tag verbrachten wir im Apartheid-Museum. Das war enorm interessant und eindrücklich, da wir fast nichts über diese Zeit wussten. Es ist nur 14 Jahre her, seit Nelson Mandela entlassen und die Apartheid beendet wurde, und vieles ist längst noch nicht so, wie es erhofft wurde. Noch immer wohnt der grösste Teil der Schwarzen in Townships, die Arbeitslosigkeit und die HIV-Rate ist enorm, und die Kriminalität ist erschreckend. Doch auch für die Weissen ist es nicht nur einfach: Da es nun eine Quotenregelung betreffend Schwarz und Weiss gibt, ist es für viele junge weisse Leute fast unmöglich, Arbeit zu finden und daher wandern unzählige nach England oder Australien aus. Viele wollen sich auch nicht ständig von der hohen Kriminalität bedroht fühlen. Für uns ist es sehr spannend, mit den Leuten über die Apartheid und die heutige Situation zu sprechen. Doch wir mussten feststellen, dass wir es uns zu einfach machen, wenn wir aus dem „reichen“ Europa einfach mit einer vorgefertigten Meinung daher kommen, wer hier gut und wer böse ist. Die meisten Leute, die wir hier trafen haben eine sehr differenzierte Meinung, sie sehen die Situation der „Andern“ und ihre eigenen Fehler, sind aber auch nicht blauäugig, was die Lösungen angeht. Es ist den meisten – Schwarz oder Weiss – klar, dass sie niemals eine Situation wie in Simbabwe haben wollen. Die Leute wollen gemeinsame Lösungen finden. Es ist eine aber schwierige Situation und wohl noch ein langer Weg, bis wirklich Versöhnung stattgefunden hat.

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Als wir das Mietauto erhielten, fuhren wir direkt in die Drakensberge. Leider waren wir etwas spät unterwegs, es wurde dunkel bevor wir das Camp erreicht hatten, und wir wussten, dass die Nationalparktore bald schliessen. Eine Frau, die uns den Weg zeigte warnte uns ausserdem, in der Dunkelheit bei einer Reifenpanne ja nicht anzuhalten. Das bedeutete, dass Andi auf dieser Strasse voller Schlaglöcher rasen musste wie ein Wilder (Yusuf hätten wir sowas niemals angetan!). Auf die Minute pünktlich erreichten wir das Tor. Am nächsten Morgen stellten wir fest, dass wir uns tatsächlich einen platten Reifen geholt hatten! In dieser phantastischen Berglandschaft machten wir dann Wanderungen zu Bushman-Felsmalereien und auf wunderschöne Berge. Doch wir spürten auch, dass es Herbst wurde: Oft hatte es Nebel, und nachts wurde es richtig kalt. Da unser Gepäck eigentlich auf Ghana ausgerichtet war, hatten wir nur einen einzigen dünnen Pullover und eine Regenjacke dabei, und nur Sandalen!

Am nächsten Tag wollten wir einen der höchsten Gipfel Südafrikas, den Mont-aux-Sources, besteigen. Auf der Landkarte sahen wir, dass es in der Nähe eine Stadt gibt, dort wollten wir ein Hotel suchen. Es stellte sich dann aber heraus, dass es nicht wirklich eine Stadt war, sondern eine einzige riesige Township, also kleine Häuschen von Schwarzen, auf wohl über 100 km2 verteilt. Im Reiseführer fanden wir heraus, dass in dieser Region die Buren während der Apartheid alle Schwarzen in Tonwships „steckten“, und zwar möglichst an einen Ort wo es keinen störte, also in die Drakensberge wo das Land zu steil ist. Das heisst, es wohnen hier noch heute etwa eine halbe Million Menschen mitten im Nichts, ohne Arbeit und ohne Zukunftsperspektive. Die Stadt heisst QuaQua, was schneeweiss bedeutet und etwas über die eisige Kälte im Winter aussagt. Im Gegensatz zur Apartheid zwingt man heute keinen mehr, dort zu leben, doch trotzdem wissen viele nicht, wo sie sonst hin sollten. In QuaQua wohnt wohl kaum ein Weisser, und es gibt nicht ein einziges Guesthouse. Daher mussten wir schlussendlich in einer Berghütte schlafen, die leider keine Bettdecken zur Verfügung hatte (unser Schlafsack ist natürlich auch im Yusuf geblieben!). Der Hüttenwart gab uns dann jedoch für ein grosszügiges Trinkgeld seine eigenen Decken, da sein Raum beheizt war.

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Die Wanderung war recht abenteuerlich, bei dichtem Nebel wanderten wir 2 Stunden tiefen Abgründen entlang bis zu einer Stahlleiter, wo es dann 30 m eine Felswand hochging. Coni musste sich dafür schon recht überwinden. Die Drakensberge bestehen aus Plateau-Bergen mit tief eingeschnittenen Canyons, so war es auf dem Plateau zwar sonnig und klar, in den Tälern klebte aber dicker Nebel, so dass wir leider keine Aussicht geniessen konnten.

Die Fahrt ging weiter durch den landschaftlich wunderschönen Golden-Gate-Nationalpark. Wir waren ziemlich erstaunt, als wir plötzlich ein Zebra am Strassenrand entdeckten! Wir übernachteten im süssen Städtchen Clarens. Man hat dort das Gefühl, in einem Freilichtmuseum zu sein: Schmucke weisse Häuschen mit parkähnlichen Gärten, kleine Restaurants und viele Kunstgalerien – und unsere erste Pizza seit Mauretanien! Bei einem Bier erzählte uns der Kellner vom Leben in QuaQua und in Clarens, und dass er letztes Jahr Brad Pitt bewirtet hatte!

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Einen Tag verbrachten wir in Lesotho. Hier sieht man wieder „ursprüngliches Afrika“ mit kleinen Lehmhütten und Mauleseln. Dieser kleine Staat besteht fast nur aus Gebirge, bis weit hinauf werden kleine Terrassen gebaut, und in den hohen Bergen befinden sich die Viehweiden. Unterwegs wurden wir von der Polizei angehalten und nach dem Pannendreieck gefragt. Dummerweise hatten wir keines und sollten nun bezahlen. Wir hatten in Mali einmal gegen unser Prinzip die Polizei bestochen, und bestanden deshalb nun immer auf eine Quittung. Da ging die Debatte los: Zuerst wollten sie uns überzeugen, dass wir ohne Quittung viel weniger bezahlen müssten. Dann sagten sie uns, dass wir die Qittung nur „irgendwo weit weg in der falschen Richtung“ bezahlen könnten. Jedes mal sagten wir, dass das für uns absolut kein Problem sei. Am Ende ging die Polizei nochmals mit dem Preis runter und wollte das Geld sogar der Kirche spenden. Als alles nichts nützte, liessen sie uns fahren, ohne dass wir einen Rappen bezahlt hätten. Wer kann das verstehen?

Die Fahrt ging weiter über endlose Ebenen mit Farmen, die meist 30 bis 50 km voneinander entfernt liegen. Wir fragten uns, wie die Kinder hier zur Schule gehen. Später erfuhren wir, dass es keine Seltenheit ist, dass Kinder täglich mehr als 50 km zur Schule gefahren werden, oder sie müssen in einem Dorf bei Verwandten leben. Diese Weite war faszinierend für uns, eine leicht hügelige Landschaft, die immer wieder von Bergrücken unterbrochen wurde.

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Dann gingen wir auf unsere erste Safari im Addo Elephant Nationalpark! Der Park hat Löwen, Büffel, Elefanten, Leoparden und Nashörner, also die kompletten „Big 5“. Doch wie erwartet haben wir davon nur die Elefanten gesehen, dafür noch viele Warzenschweine, Zebras, Schakale und Antilopen. Die Elefanten waren für uns schon sehr eindrücklich – wenn ein solcher Koloss direkt neben dem Auto steht, kriegt man es fast mit der Angst zu tun! Die Nacht verbrachten wir in einem unübertrefflichen B&B. Das weisse Landhaus war geschmackvoll eingerichtet, mit einer Badewanne mit Aussicht und einer Freiluft-Dusche. Davor befand sich ein märchenhafter Park mit einem kleinen See und Pavillon, auf der Terrasse wurde das Essen serviert – ein Traum!

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Weiter ging es der Küste entlang, die sogenannte Garden Route entlang. Im Tsitsikamma-Nationalpark machten wir eine Wanderung der wilden Küste entlang (und hatten eine Auseinandersetzung, ob hier die Leoparden oder die Schlangen gefährlicher sind). Wir hatten dort viel Spass mit den Deutschen Lars und Susi, die uns von ihren Erfahrung an der Uni Jo’burg erzählten. In Mossel Bay machten wir eine kurze Schifffahrt zu einer kleinen Insel, auf der sich 3000 Seehunde tummeln. In Swellendam kletterten wir auf einen Berg und betrachteten den wunderschönen Sonnenuntergang. Ein weiterer Höhepunkt war die Fahrt durch die Weinstrassen nahe von Kapstadt. Hier gibt es unzählige Weingüter, von Parkanlagen umgebene weisse Villen im kapholländischen Stil wo man Wein degustieren kann. Im Weingut Boschendal gönnten wir uns ein Picknick: In einem Park mit Seerosenweiher und hohen Bäumen standen überall kleine Tische mit weissen Tischdecken verstreut. Hier wurde einem ein Picknick-Korb gebracht, der bis zum Rand gefüllt war mit Salaten, Brot, Käse, Pies, Fleisch, verschiedenen Dipps und Süssigkeiten. Was für ein Leben!

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Doch dann wurde es Zeit, nach Cape Town zu fahren und unser Auto abzugeben. Hier wurden wir von Elzette und Ivon mit ihrern 3 Kindern herzlich empfangen. Matthias und Susi, die als Missionare bei den Zulu gearbeitet hatten, gaben uns ihre Adresse, und wir durften eine Woche südafrikanische Gastfreundschaft geniessen. Da man ohne Auto in Kapstadt aufgeschmissen ist, fuhr uns Elzette zum Coiffure, in die Shopping-Mall, an die Waterfront und machte eine Tour mit uns und den Kindern zu den Pinguinen und zum Kap der Guten Hoffnung. Und dann trafen wir in Kapstadt natürlich Sabrina von Stettlen, die hier gerade eine Sprachschule macht. Schon speziell, wenn man am andern Ende der Welt alte Bekannte trifft!

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Dann kam der Hammer: Wir erhielten von Jamie und Charlene die Nachricht, dass unsere beiden Autos in der Zwischenzeit in Belgien angekommen sind! In Belgien!!!! So etwas Unglaubliches, keine Ahnung wie unfähig die Leute in Ghana sind. In der Zwischenzeit hätte nämlich das Auto längst in Kapstadt sein sollen. Jammern und klagen brachte uns aber nicht weiter, da Andis Mutter Lotti in wenigen Tagen in Kapstadt eintreffen sollte. So beschlossen wir halt, wieder ein Auto zu mieten und die Tour entsprechend ein wenig zumzustellen. Elzette und Ivon luden ihre camping-verrückten Freunde ein, die uns danach ihre halbe Campingausrüstung ausliehen. In wenigen Tagen verlassen wir Cape Town Richtung Namibia, um Lotti in Windhoek abzuholen. Aber wir kommen wieder…