12 Namibia

4. Mai 2008

Noordoewer – Windhoek – Etosha NP – Spitzkoppe – Swakopmund – Naukluft NP – Sossusvlei – Keetmanshoop – Fish River Canyon – Noordoewer

In Kapstadt erhielten wir unsern zweiten Yusuf-Ersatz, einen Ford Ikon, zu einem sensationell günstigen Preis. Zum Glück war er etwas grösser als unser erstes Mietauto, denn er wurde bis an den Rand vollgepackt mit unserer improvisierten Campingausrüstung. Die nächsten zwei Tage fuhren wir nun vollgas die 1500 km nach Windhoek, um Lotti dort am Flugplatz abzuholen (natürlich war das nicht so geplant, sie musste diesen Flug zusätzlich bezahlen). Je mehr wir uns der namibischen Grenze näherten, desto trockener wurde die Landschaft, und oft fuhr man über 100 km ohne nur ein einziges Haus zu sehen. Die Strasse verlief oft über duzende Kilometer schnurgerade und führte durch öde Ebenen, wunderschöne Felsformationen und ausgetrocknete Flusstäler. Auf dieser Reise wurde Andi schon wieder krank, und wir befürchteten, dass es wieder Malaria sein könnte. Doch „glücklicherweise“ war es eine Magendarmgrippe, die nach zwei Tagen auch wieder überwunden war. Trotzdem war es für ihn nicht gerade angenehm, dass wir in Windhoek nur noch zwei Betten in einem vollgestopften Massenschlag fanden?

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Am nächsten Morgen früh fuhren wir an den Flughafen, wo wir Andis Mutter Lotti in Empfang nehmen durften! Auf dem Weg zum Etosha-Park gab es natürlich viel zu erzählen und so verflog die Zeit nur so. Dass es diesen Sommer (wir sind auf der Süd-Halbkugel) sehr viel geregnet hatte, bedeutete auch, dass die Tiere nicht in Scharen an die Wasserlöcher kommen. Daher fuhren wir mit eher gedämpften Erwartungen in den Park hinein. Umso mehr staunten wir über die riesigen Herden von Zebras, Giraffen, Gnus und Antilopen, die wir zu Gesicht bekamen. Einmal konnten wir am Morgen drei Löwen beobachten, ein anders Mal sahen wir an einem beleuchteten Wasserloch vier Nashörner. Nur blieb leider unsere Suche nach Elefanten erfolglos. Dafür sahen wir auch viele Vögel und Schmetterlinge, die winzig kleinen Dikdik-Antilopen, Schakale, Warzenschweine, Erdhörnchen und mehr. Im Ethosha-Park blieb auch Lotti nichts anderes übrig als zu zelten, da die Unterkünfte ansonsten einfach unbezahlbar sind (schon eine Campingübernachtung kostet ca. 65 Fr. für 3 Personen!). Hätten wir Yusuf gehabt, so hätte sie im komfortablen Dachzelt schlafen können, aber so mussten wir uns alle mit Zelt und ausgeliehenen knapp 1cm-dicken Schaumstoffmätteli zufrieden geben?

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Nach dem Tierreichtum im Ethosha-Park standen jetzt Wüstenlandschaften auf unserm Programm. Wir besichtigten den Vingerclip, einen einzelnen hohen Felsen mitten in einer Ebene der wie ein erhobener Zeigefinger aussieht. Danach fuhren wir zum versteinerten Wald, wo wir auch unsere erste Welwitscha zu Gesicht bekamen, eine Wüstenpflanze mit nur zwei zähen Blättern, die hunderte von Jahre alt werden kann. Doch der Höhepunkt war die Spitzkoppe, ein Berg aus einem roten Granitstein. Zuvor muss aber noch gesagt werden, dass es in West-Namibia kaum eine Teerstrasse gibt. In unserm kleinen Ford bedeuteten diese Staubpisten ein unglaubliches Geschüttel. Schnell lernten wir, dass man die Wellblechpisten mit über 80 km/h fahren muss damit es ertragbar wird. Die meisten Pisten sind relativ gut, mit wenigen Löchern und grossen Steinen. Die Nebenpisten können aber richtig qualvoll werden, vor allem kurz nach der Regenzeit. So standen wir halt einige Kilometer vor der Spitzkoppe vor einem ausgespülten Flussbett, wo sich die Piste in tiefen Sand verwandelt hatte. Mit Yusuf wäre das alles kein Problem gewesen. Daher fuhr Andi auch mit unserm Ford zuversichtlich und mit viel Anlauf los. Doch nach etwa 50 m steckte er hoffnungslos fest (100 m fehlten noch…). Zuerst versuchten wir es mit stossen und graben, aber ohne 4×4 hat man keine Chance! So packten wir unser Picknick aus und warteten auf Hilfe. Schon nach wenigen Minuten kam ein brandneuer Mercedes-Geländewagen angebraust, und die deutsch-namibische Familie war glücklicherweise sehr hilfsbereit. Ohne Mühe zogen sie unsern Ford auf die andere Seite, wo wir unsern Weg fortsetzen konnten. Übrigens war dieser Mercedes das einzige Fahrzeug, welchem wir auf der ganzen Strecke begegneten. Gott sei Dank!

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An der Spitzkoppe angekommen reichte die Zeit gerade noch für wunderschöne Sonnenuntergangsfotos, wo der Fels zu glühen schien, während in den riesigen Ebenen unterhalb das Gras silbern leuchtete. Wie meistens auf unserer gemeinsamen Reise schlief Lotti in einem kleinen Bungalow, während wir nebenan unser Zelt aufstellten. Zum Znacht wurde natürlich gegrillt, auf Afrikaans heisst das „Braai“ und gehört zu den Hauptbeschäftigungen von allen Namibiern und Südafrikanern. Am nächsten Morgen machten wir uns zum berühmten Bushman’s Paradise auf. Oberhalb von 150 m glatter Felsplatte öffnet sich plötzlich ein Tal, in das sich die San früher zurückgezogen haben, und von wo aus sie die vorbeiziehenden Wildherden beobachten konnten. Wir konnten aber den Weg nicht finden, und so kraxelten wir (zusammen mit Lotti!) stundenlang über die nackten Felswände. Wir entdeckten verschiedene kleine versteckte mit Bäumen bewachsene Täler mit wunderbarer Fernsicht und wussten einfach nicht, ob wir nun das „echte Paradise“ schon gefunden hatten. Endlich sahen wir dann weit unter uns ein grosses Tal mit einer Reisegruppe – wir waren viel zu weit hochgeklettert. Auf dem Rückweg entdeckten wir sogar noch Felsmalereien, leider sind aber viele durch Kritzeleien zerstört worden! Zum Schluss fanden wir dann endlich den offiziellen Weg und stiegen entlang der berühmten Eisenkette die Felswand wieder hinunter ins Tal.

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Nach dem vielen Staub zog es uns jetzt ins „südlichste Nordseebad Deutschlands“, wie das Städtchen Swakopmund spasseshalber genannt wird. Tatsächlich fühlt man sich hier eher wie in Deutschland als in Afrika, an den hübschen Häusern finden sich Schilder wie „Bäckerei“, „Deutsches Haus“ oder „Apotheke“. Der kalte Benguela-Strom bringt ein angenehm kühles Klima, und das Wasser ist wohl tatsächlich Nordsee-mässig kühl. Hier machte Lotti ihre Souvenir-Einkäufe und steckte uns noch an damit. Wir kauften wunderschöne Kunstwerke aus behauenem Stein und auch einige Holzgegenstände. Ab diesem Zeitpunkt wurde der Platz im Auto definitiv knapp!

Da uns Landschaften mehr bedeuten als Städte machen wir danach eine Wüstenrundfahrt zu einer Welwitscha-Pflanze, die 1500 Jahre alt sein soll und immer noch weiter wächst! Dabei kamen wir durch riesige öde Ebenen und wunderschöne zerklüftete Mondlandschaften. Auf dem Weg Richtung Süden fuhren wir durch die Dünengebiete dem Meer entlang. Hier vermissten wir Yusuf natürlich wieder sehr – so eine Dünenrundfahrt wäre nun einfach phantastisch! Weil wir das Lotti mit dem Ford nicht bieten konnten, blieb uns nichts anderes übrig als Quadbikes zu mieten. Diese kleine Dünentour machte uns viel Spass, obwohl das Feeling überhaupt nicht mit dem Fahren eines Autos in den Dünen vergleichbar ist.

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Dann ging es stundenlang weiter auf den Staubpisten zu dem berühmten Sossousvlei, einem Dünengebiet in der Namib. Wir versuchten im Voraus im zentralen Nationalparkbüro einen Campingplatz reservieren – aber sie sagten uns, dass alles ausgebucht sei. Wir konnten das nicht glauben, und so fragten wir vor Ort nach. Tatsächlich war es kein Problem, einen Platz zu bekommen. Dieser kostete für drei Personen aber fast 100 Fr. für eine Nacht!! So viel würden wir nie für eine Hotelübernachtung ausgeben! Dieser Preis wird nur bezahlt, weil dies die einzige Möglichkeit ist, morgens vor Sonnenaufgang und Abends nach Sonnenuntergang im Park zu bleiben. Der Anfahrtsweg vom Camp bis zu den Dünen beträgt etwa eine Stunde, und wenn man erst bei Sonnenuntergang losfahren darf, blutet natürlich jedem Hobby-Fotografen das Herz. Eigentlich wollten wir 3 Nächte dort bleiben, doch das war so natürlich unbezahlbar. So suchten wir uns vorerst einen anderen Campingplatz, um am nächsten Tag ins „nahe“ Naukluftgebirge zu fahren. „Nur“ 80 km nimmt man in Namibia sofort in Kauf, viele Farmen liegen ja weit über 100 km von der nächsten Einkaufsmöglichkeit entfernt, so ist das für Namibier ein Katzensprung. Doch diese Strecke hatte es in sich, die Strasse war so furchtbar, dass wir hatten Angst hatten, dass das Auto nächstens auseinander bricht. Im Naukluft-Park angekommen machten wir den „Olive-Trail“, eine wunderschöne Wanderung die sich als Schluchtdurchquerung herausstellte. Die roten Felsen der Schlucht waren mit Kakteen und Köcherbäumen bewachsen, und wir folgten den Schlangenlinien des fast ausgetrockneten Flusses. Wieder einmal bereuten wir es, dass wir die Wanderschuhe im Yusuf gelassen hatten und in Sandalen laufen mussten, vor allem da es im Park von Schlangen wimmeln sollte?

Am nächsten Morgen früh machten wir uns zum überrissen teuren Campingplatz beim Sossousvlei auf. Als wir beim Parkeingang noch schnell tanken wollten, wurde uns erklärt, dass es leider kein Benzin mehr habe! Am touristischsten Ort von Namibia, 100 km von der nächsten Tankstelle entfernt, wo wirklich jeder tanken muss, kriegen sie es nicht hin, rechtzeitig Benzin zu bestellen bzw. zu liefern! Mit der Zeit taten mir die Angestellten fast leid, da sie natürlich einiges zu hören bekamen! Da unser Tank fast leer war, blieb uns nichts anderes übrig, als am nächsten Ort tanken zu gehen, in der Hoffnung, dass das Benzin ausreicht. Während Lotti und Coni schon das Camp aufstellten, fuhr Andi schnell 200 km Staubpiste, um tanken zu gehen?

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Das Dünengebiet Sossousvlei türmt sich an den Seiten des Flusses Tsauchab bis zu 300 m hoch auf. Ab und zu führt der Fluss das Wasser bis in das Dünengebiet hinein, dabei entstehen flache Lehmpfannen, die Vleis. Die akazienbewachsenen Vleis bilden einen wunderschönen Gegensatz zu den kupferroten Sanddünen. Insbesondere bei Sonnenuntergang sind die Dünen glutrot, und die Aussicht von den Dünen hinunter ist atemberaubend (der Aufstieg zu den Dünen ebenso). Da wir unsern Yusuf nicht hatten, mussten wir die letzten 5 km durch den Sand mit einem Taxi fahren. Der Fahrer war sehr nett und erklärte uns einiges zu den Pflanzen und Antilopen die wir sahen. Ausserdem liess er sich erweichen, fast bis zum Sonnenuntergang auf dem Parkplatz auf uns zu warten. Dieser Tag war unser Schlangentag: Als wir am Vormittag noch schnell den Seseriem-Canyon nahe des Campingplatzes besuchten, schlängelte sich gerade eine Schwarze Mamba (eine der giftigsten Schlangen der Welt) davon, und am Abend hatte es eine kleine (nicht sehr giftige) Schlange im Waschraum. Am nächsten Morgen standen wir schon kurz nach 5 Uhr wieder am Parkeingang, und fuhren noch einmal die 60 km zum Sossousvlei. Zuoberst auf der Düne 45 (d.h. die Düne, die nach 45 km kommt) sahen wir die Sonne aufgehen. Dummerweise haben wir uns auf der Fahrt einen Nagel eingefahren, doch diesen flickten die Angestellten bei der Tankstelle gerne, da sie nun einmal zufriedene Touristen sahen (Benzin gab es natürlich noch keins). Kostenpunkt: 6 Fr.!

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Knapp 200 km nach Sossousvlei kann man mit einem Umweg von nur etwa 40 km einen Ort erreichen, wo man einkaufen kann. Dort deckten wir uns wieder für die nächsten zwei Tage ein (viel mehr Vorräte können wir wegen dem knappen Platz gar nicht mitnehmen J). Unser nächstes Ziel war die Farm Tiras, eine 100 km2 grosse Rinderfarm, die von der deutstämmigen Familie Koch geführt wird. Weil wir uns überhaupt nicht vorstellen können wie das Leben als Farmer in Namibia aussieht, hofften wir, dort einen Einblick zu gewinnen. Als wir kurz nach der Ankunft mit ihren Enkeln zusammen eine kurze Rundfahrt mitmachen durften, entdeckte sie zu ihrem Ärger Leopardenspuren ganz nahe an der Farm. In diesem Gebiet gibt es sehr viele Leoparden, und wenn sie den Farmen zu nahe kommen, ist das natürlich ein Problem. Das heisst, es wird wohl bald eine Falle aufgestellt. Und dann geschieht das gleiche, wie in der Schweiz mit den Bären. Was sonst? Am nächsten Tag führte uns Frau Koch durch ihr Farmland, wo sie uns vieles zu den Pflanzen und Tieren, aber auch zu ihrem Alltag erzählte. Sogar etwas verblasste Buschmanns-Zeichnungen hat es auf ihrer Farm. Das Abendessen war für uns ein Höhepunkt: Zusammen mit Kochs und einem alteingesessenen Ehepaar aus Windhook assen wir selber gejagten Kudu-Braten und erfuhren unglaubliche Geschichten aus ihrem Leben in „Deutsch-Südwest“ bzw. Namibia, und plötzlich bekamen geschichtliche Ereignisse, über die wir im Reiseführer gelesen hatten, ganz viel Leben eingehaucht.

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Nun waren wir schon im tiefen Süden des Landes, kurz vor der Grenze zu Südafrika. Was wir uns jedoch nicht entgehen lassen wollten, war der Köcherbaumwald nahe von Keetmanshoop. Obwohl im ganzen Land die hübschen Köcherbäume vorkommen, gibt es in Keetmanshoop ganz besonders viele, und diese stehen erst noch in einer phantastischen Felsenlandschaft, welche sich „Riesenspielplatz“ nennt, weil sie aussieht, als hätten Riesen mit den roten Steinen Türmchen aufgebaut. Doch nebst dieser phantastischen Szene gibt es noch was anderes zu sehen: Mesosaurus-Fossilien! Alfred Wegener hatte 1915 unter anderem wegen Funden von diesen Mesosauren in Afrika und Südamerika die Theorie aufgestellt, dass Afrika und Südamerika einmal einen einzigen Kontinent gebildet hatten, und wurde dafür nur ausgelacht. Und nun hatte Coni die Gelegenheit, mit eigenen Augen zu sehen, was ihre Schüler pauken müssen J.

Die letzte Nacht verbrachten wir am Fish River Canyon, dem drittgrössten Canyon der Welt. Wegen der Hitze dort und den abschüssigen Wegen ist es leider nicht erlaubt hinunter zu steigen, und so machten wir uns bald wieder auf zu unserm Campingplatz zurück. Hier bekamen wir aber fast etwas Platzangst: Während die meisten Campingplätze Namibias riesige Gelände mit ein paar wenigen Touristen sind, hatten wir hier auf allen Seiten Nachbarn, so nahe dass wir sie sogar hören konnten? Und jetzt warten wir nur noch auf eines sehnsüchtig: Unsern Yusuf in Kapstadt abzuholen!