20 Kenia

15. September 2008

Uganda – Malaba – Webuye – Lake Baringo – Lake Bogoria – Naivasha – Nairobi – Tiwi Beach – Nairobi – Masai Mara – Nairobi – Chogoria – Mt. Kenya – Samburu NP – Nairobi – Maralal – Loiyangalani – Sibiloi NP – Ileret – Äthiopien

Während unsern Reisevorbereitungen hatte uns Kenia nie besonders gereizt, Geschichten von „Tourismus-Verseuchung“ sowie Bücher wie „Die weisse Masai“ sowie die Unruhen Anfang dieses Jahres hatten das ihre dazu getan. Doch je mehr wir über dieses Land lasen, desto mehr begann es uns trotz allem zu reizen. Wie auch Tansania ist Kenia ein unglaublich vielfältiges Land mit Traumstränden, Bergen und Vulkanen, dem Riftvalley in dem Seen wie eine Perlenkette aufgereiht sind, unzähligen Nationalparks und exotischen Volksstämmen. So fuhren wir mit grossen Erwartungen über die Grenze! Als die kenianischen Zöllner eine „Overtime-Fee“ verlangten, stellten wir fest, dass es schon nach fünf Uhr Nachmittags war – eine Zeit zu der wir in Afrika meist schon auf dem „sicheren“ Campingplatz stehen. Da wir uns dummerweise nicht im Voraus mit der Sicherheitslage befasst hatten und keinesfalls im Dunkeln fahren wollten, mussten wir nun schon etwas Gas geben, um die 100 km zum ersten grössern Ort zu schaffen. Dass wir in jedem Dorf aggressive Demonstrationszüge antrafen beruhigte uns nicht gerade, und wir fuhren mit Vollgas durch die Dörfer um ja nicht angehalten zu werden. So waren wir für einmal richtig beruhigt, an einen Polizei-Checkpoint zu kommen, und zu erfahren, dass wir unsern Zielort beinahe erreicht hatten.

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Der Besitzer der etwas heruntergekommenen Webuye-Lodge war richtiggehend begeistert über unser Erscheinen, offenbar hat sein Hotel schon bessere Zeiten gesehen. Er dankte uns mehrere Male für unser Kommen und liess sofort ein Hühnchen schlachten für unser Znacht – nach dieser herzlichen Begrüssung fühlten wir uns schon viel besser in diesem Land. Die spektakuläre Fahrt hinunter in den Grabenbruch an den Lake Baringo sowie der phantastische Campingplatz direkt am See mit zehn Krokodilen nur wenige Meter von unserm Auto entfernt, grasenden Nilpferden und unzähligen bunten Vögeln verstärkten unser Begeisterung für dieses Land. Nur wenige Kilometer entfernt befindet sich der Lake Bogoria der in einer tektonisch höchst aktiven Zone liegt, überall dampft und zischte es aus dem Boden, Geysire sprühen Fontänen in die Luft und in kleinen Pools sprudelt das kochende Wasser über. Diese unwirkliche Kulisse wird abgerundet von Tausenden von Flamingos, denen es offenbar im warmen Wasser am besten gefällt.

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Am Nachmittag machten wir eine kleine Wanderung das Escarpment (Abbruchkante des Grabenbruchs) hoch. Dabei konnten wir eine Schildkröte, verschiedene Antilopen sowie einen phantastischen Rundblick geniessen – bis wir plötzliche einem Büffel gegenüber standen. Büffel sind die bei Rangern und Viehhütern am meisten gefürchteten Tiere, da sie sehr aggressiv sein können und nebst den Hippos für die meisten Todesopfer sorgen. Glücklicherweise rannte der Koloss davon, doch ab diesem Zeitpunkt war es uns in dem buschigen Gebiet nicht mehr richtig wohl, und wir kehrten bald zu unserer völlig abgelegenen Nationalpark-Campsite zurück. Für uns gehört es zu den Höhepunkten in Afrika, ganz allein mitten in der Wildnis zu campieren, doch diese Nacht sah das ganz anders aus. Wir beide erwachten mitten in der Nacht, und konnten überhaupt nicht mehr schlafen, da es uns unerklärlicherweise extrem unwohl war. Nachdem wir eine halbe Stunde kein Auge zugetan hatten und uns nur überlegten, wie „gefangen“ wir im Falle eines Überfalls in unserm Dachzelt wären, klappten wir zum ersten Mal auf unserer Reise das Dachzelt mitten in der Nacht zusammen und versuchten, im Auto noch zu ein paar Stunden Schlaf zu kommen. Wir waren erleichtert als es hell wurde und beschlossen sofort loszufahren und an einem andern Ort zu frühstücken. Bis zum Schluss konnten wir nicht einordnen was bei uns beiden unabhängig voneinander dieses Missbehagen hervorgerufen hat. Doch in solchen Fällen haben wir begonnen auf unser Gefühl zu achten – man hat ja keine andere „Sicherheit“. Ziemlich übermüdet beschlossen wir, endlich im Internet mehr über die Sicherheitslage Kenias herauszufinden, und bis dann bewachte Campingplätze vorzuziehen.

In Nakuru besserten wir endlich unsern Wissensstand über den Gewaltausbruch im Januar und die momentane Situation auf. Kenias unglaubliche Ausbeutung als englische Kolonie (noch immer gibt es unzählige weisse Grossgrundbesitzer in den fruchtbarsten Gebieten) und später die unglaubliche Korruption und ständige Bevorzugung gewisser Volksstämme, gerade was Landrechte und Zugang zu Wasser angeht, bilden den Hintergrund der gewaltsamen Demonstrationen nach dem Wahlbetrug des Präsidenten Mwai Kibaki. Kenia gehört nicht zu den ärmsten afrikanischen Ländern, die Wirtschaft wächst und dies führt zu einem wachsenden Mittelstand – der in einem krassen Gegensatz zum Grossteil der sehr armen Bevölkerung steht – so dass es keine Überraschung ist, dass gerade in den Slums die Gewalt eskalierte. Im Berner Bund findet sich ein spannendes Interview dazu mit meinem ehemaligen Geografie-Professor Urs Wiesmann. Glücklicherweise konnte der Konflikt schon bald entschärft werden, was jedoch zurück bleibt sind geplünderte Geschäfte, ausgebrannte Autos, enorme Ernteausfälle und ein Einbruch der Tourismuszahlen von 90%, der sich nur langsam wieder zu erholen beginnt.

Der Hell’s Gate Nationalpark ist eine Besonderheit, da er sich per Fahrrad erkunden lässt, es ist schon ein besonderes Erlebnis, an Giraffen und Zebras vorbei zu radeln! Danach kletterten wir durch die enge Sandsteinschlucht einige kleine Wasserfälle hinunter, wobei man heissen Quellen ausweichen muss. Auf dem Rückweg stellte sich weniger Nationalpark-Feeling ein, da wir an den thermischen Kraftwerken vorbeifuhren, die in Kenia einen Grossteil der Energieversorgung gewährleisten (oder auch nicht?) – eine sehr nachhaltige Energiequelle, welche in Zukunft ausgebaut werden soll.

Danach fuhren wir zum ersten Mal nach Nairobi rein zum berühmten Campingplatz Jungle Junction, der vom Deutschen Chris geführt wird. Obwohl man dieses Camp wohl in keinem Reiseführer finden kann, ist der Platz immer voll von Overlandern, allein durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Hier trafen wir die beiden Holländer Floor und Sebastiaan, welche sich soeben in Nariobi einen Nissan Patrol gekauft hatten, der aber noch ein paar Tage Garage-Aufenthalt brauchte. Spontan beschlossen wir, sie mit an die Küste zu nehmen. Mit ihrem Gepäck-Berg wurde es für sie wohl etwas eng auf der zehnstündigen Fahrt, doch das Twiga-Camp südlich von Mombasa entpuppte sich als ein Traum! Unser Yusuf stand direkt unter Kokospalmen im weissen Sand… Wir genossen eine gemütliche Woche mit feinem Essen, das Coni und Sebastiaan abwechslungsweise auf den Tisch zauberten, Strandspaziergängen, viel lesen und Fotos aussortieren. Täglich kamen der Mangomann sowie einige Fischer vorbei, so dass wir mit Frischprodukten versorgt wurden. Was für ein Leben!

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Auf dem Rückweg besuchten wir Mombasa, und wir fühlten uns sofort nach Arabien versetzt. Die Häuser im Kolonialstil kombiniert mit der arabischen Kultur bildeten eine faszinierende Mischung. Auch der Besuch des portugiesischen Fort Jesus war eindrücklich und zeigte die bewegte Geschichte der Suahili-Küste, einem strategischen Landstreifen zwischen Arabien, dem fernen Osten und Europa. Die Nacht verbrachten wir in der wunderschönen „Red Elefant Lodge“ direkt am Tsavo-Nationalpark. Und wir hatten ein riesiges Glück: Als wir im roten Abendlicht ankamen, zog gerade eine Elefantenherde zum Wasserloch, welches direkt beim Camp liegt. Später kamen die Impalas und die Wasserböcke, und das alles ohne Parkeintritt!

Der Masai Mara Nationalpark grenzt direkt an die Serengeti, dieses Ökosystem bildet den Schauplatz einer alljährlichen Gnu-Migration. Obwohl wir die Serengeti schon besucht hatten, wollten wir die riesigen Gnuherden noch miterleben, und so machten wir uns von Nairobi auf schlechten Strassen Richtung Südwesten auf. Der Parkbesuch war ein Höhepunkt: Es wimmelte tatsächlich nur so von Tieren. Mit riesigen Herden von Gnus und Zebras, Giraffen und Antilopen gefiel es hier offenbar auch den Raubtieren. Noch nie hatten wir so viele Löwen entdeckt, und auch eine Gepardin mit ihren beiden Jungen kam zu unserm Foto-Shooting.

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Zurück in Nairobi machten wir einen Grosseinkauf, um uns für die Besteignung des Mt. Kenya und die lange Fahrt nach Äthiopien einzudecken. Um nicht unnötig Zeit am Fusse des Mt. Kenya zu verschwenden, hatten wir bereits im Voraus mit dem Bergführer Dickson abgemacht und waren startbereit – als wir abends spät ein Mail von Äthiopien erhielten, das alle Pläne über den Haufen warf. Die Projektkoordinatorin „unserer“ Mission in Addis Abeba schrieb uns, dass wir es vergessen könnten, in Afrika das erforderliche Halbjahres-Businessvisum für Äthiopien zu bekommen! Es gäbe keine andere Möglichkeit als in die Schweiz zu fliegen, und dort das Visum zu beantragen. Was nun??? Wir starteten eine Mail-Grossoffensive und erfuhren schon am nächsten Morgen von Andis Mutter, dass wir in der Schweiz für das Businessvisum nicht persönlich auf der äthiopischen Botschaft aufkreuzen mussten. Also gingen wir mit unsern Pässen, Passfotos, ausgefüllten Formularen sowie einer Erklärung, warum wir in unserm Pass bereits ein in Uganda ausgestelltes äthiopisches Touristenvisum haben, zum DHL-Schalter. Für 60 Franken konnten wir diesen Brief express in die Schweiz schicken, tatsächlich kamen die Pässe nur drei Tage später zu Hause an! Da wir nun nichts mehr tun konnten als zu beten, dass wir das Visum in der Schweiz ohne Nachfragen kriegen, machten wir uns nun mit einem Tag Verspätung auf zum Mt. Kenya.

Der Mt. Kenya ist wie auch der Kilimanjaro ein vulkanisches Gebirge, welches im Rift Valley liegt. Im Gegensatz zum höchsten Berg Afrikas sieht man dem Mt. Kenya aber seine Vulkanform nicht mehr so genau an, so sehr ist er verwittert. Leider ist es nicht möglich, den Hauptgipfel Batian zu erklimmen, weil dies schwierigste Felsenkletterei bedeuten würde. So machten wir uns auf zum Nebengipfel Lenana, der nur gerade 15 m unter der 5000er-Grenze liegt. Wir hatten uns für die Chogoria-Route entschieden, eine landschaftliche herausragende Route, die aber nicht allzu viel begangen wird. Auf dem Weg zum Ausgangsort unserer Wanderung merkten wir auch, weshalb: Die Strasse ist nach Regen kaum befahrbar! Für die letzten 12 km durch Regenwald und Bambuswald brauchten wir über 3 Stunden, und wir kamen nur dank der tatkräftigen Hilfe unseres Führers Dickson sowie der beiden Träger Mose und Jakob überhaupt so weit! Im klebrigen Schlamm verwandelten sich unsere Reifen in Sliks ohne jeden Halt, so dass wir immer wieder seitwärts in die tiefen matschigen Spurrinnen abdrifteten, zweimal gruben wir uns bis zu den Achsen in den Schlamm ein. Da bleibt einem nichts anderes übrig, als Schuhe auszuziehen, in den Sumpf zu knien und zu graben. Ekelhaft! Einmal konnten wir das Auto nur mit einer Kombination aus graben, Sandbleche legen, stossen und der Konstruktion einer „Spannset-Seilwinde“ befreien. Langsam hatten wir aber den Dreh raus, von nun an hielten wir schon vor den Sumpflöchern, wateten zum prüfen durch die Pfützen, gruben die Löcher zu oder legten Holz hinein. Yusuf wurde zum Erbarmen durchgeschüttelt, Andi fuhr so heftig durch eine Schlüsselstelle, dass auf einer Seite immer wieder die Räder in der Luft waren. Coni war fix und fertig, als wir endlich am Gate ankamen, die Männer hingegen waren glücklich und stolz, ein solches Abenteuer gemeistert zu haben, und ab diesem Erlebnis waren wir ein Team!

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Gemeinsam wurde nun für die Bergtour gepackt, Dickson überwachte genau was wir mitnahmen und war merklich misstrauisch gegenüber Coni’s Menuplanung (wir hatten keinen Koch angeheuert), so dass viel mehr eingepackt wurde als ursprünglich geplant (natürlich wurde schlussendlich mehr als die Hälfte des Essens auch wieder den Berg runter getragen…). Damit sich unsere Körper an die Höhe gewöhnen konnten, führte uns die erste Etappe nur ein paar Stunden zu einem hübschen See hoch, wo wir unsere Zelte aufschlugen. In der Nähe sahen wir Zebras und Elan-Antilopen, und wir hatten diesen wundervollen Platz ganz für uns allein. Das Wetter meinte es richtig gut mit uns, am Abend klarte es auf, und wir sahen das Mt. Kenya-Massiv über dem See aufragen. Unsere Crew machte ein Feuer, Coni kochte für alle Znacht und danach gab es klebrig-süssen Tee, den wir in der kalten Abendluft ganz gut ertragen konnten.

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Am nächsten Tag spürten wir ein wenig die Höhe, wie fast alle Wanderer hatten wir Kopfschmerzen und uns war etwas übel. Deshalb machte uns die eigentlich kurze Etappe recht zu schaffen. Doch die Lage der Minto’s Hut (auf 4500 m) liess uns das alles vergessen: Auf einer Hochebene unter dem Gipfelmassiv liegt dieser Platz inmitten von kleinen Seen und Riesenlobelien an einer 300 m hohen Felskante, die senkrecht in die Tiefe fällt. Im Gegensatz dazu fanden wir den Namen „Minto’s Hut“ ziemlich hoch gegriffen: Die kleine Wellblechbarracke mit vogeldreckverschmierten Holzpritschen und herumrennenden Ratten stank grauenhaft, so dass wir uns sofort für unser Zelt entschieden. Diesmal dauerte es ziemlich lange, bis das Abendessen bereit war, denn auf dieser Höhe kocht das Wasser bereits mit etwa 88°C, so dass es fast 45 Min. dauerte, bis der Reis endlich einigermassen essbar war. Da die Nacht sternenklar war, sank die Temperatur schon in den frühen Abendstunden unter 0°C und wir scharten uns eng um das Feuer. Als wir uns dann in unsere warmen Schlafsäcke kuschelten war uns bewusst, dass sich unsere Crew einen einzigen Sommerschlafsack teilte und wohl vor Kälte kaum ein Auge zutun würde.

Um zwei Uhr waren wir auch schon wieder wach und schälten uns widerwillig aus den warmen Schlafsäcken. Doch der Blick auf die allein von Sternen beleuchtete Skyline des Mt. Kenya sowie ein heisser Tee gaben uns den nötigen Kick zum Gipfelaufstieg. Die nächtliche Wanderung war bitterkalt und ein beissender Wind erstickte jeden kleinsten Wunsch, eine Pause einzulegen. Doch Dickson warnte uns, dass es auf dem Gipfel noch viel kälter wäre, so machten wir immer wieder kleine Stopps, um ganz genau bei Sonnenaufgang oben zu sein. Langsam wurde es heller, und kaum waren wir oben, schob sich die Sonne als rote Kugel über den Horizont. Es war schlicht und einfach überwältigend.

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Nachdem wir den wohl letzten Gletscher nur 17 km vom Äquator entfernt bewundert hatten, ging’s in der wärmenden Morgensonne zurück zur Minto’s Hut, wo unsere Crew uns zum Mittagessen Ugali, das kenianische Nationalgericht, kochte und wir unsere Rucksäcke packten. Und dann machten wir uns auf den langen Abstieg zurück zum Auto. Wir waren schon sehr froh, als wir endlich dort ankamen. Doch wir waren zu erschöpft, um uns mit Yusuf schon auf die „Schlammtour“ nach Chogoria hinunter aufzumachen, daher zelteten wir noch einmal am Gate und hatten einen letzten schönen Abend mit unserer Crew am Lagerfeuer. Für uns war diese Tour wirklich ein Höhepunkt, und auch mit unserm Führer und den Trägern hatten wir ein tolles Verhältnis. Wir haben es schon oft erlebt, dass das Verhältnis zwischen Guide und Tourist irgendwie komisch und künstlich ist oder dass Führer völlig inkompetent und unehrlich sind, doch in diesem Fall stimmte es einfach! Frisch und erholt fuhren wir am nächsten Morgen die gefürchtete Strasse runter, aber dank unserm Wetterglück (drei Tage Trockenheit) war es diesmal kein Problem, schon nach kurzer Zeit waren wir unten auf der Strasse.

Da unsere Pässe in der Schweiz waren, hatten wir plötzlich den Einfall, dass wir uns gleichzeitig das Carnet de Passage (Zolldokument für Yusuf) verlängern lassen und zuschicken lassen könnten. Nach ein paar „wenigen“ Stunden in unglaublichen Internetcafes hatten wir es tatsächlich geschafft, das Geld per E-Banking zu überweisen, ein Faxgerät zu finden und nach einer weitern halben Stunde den Fax auch erfolgreich zu senden. Dann fuhren wir Richtung Norden, wo sich die Landschaft innerhalb von wenigen Kilometern drastisch änderte: Vom grünen Bergland fanden wir uns unversehens in der Savanne wieder, von -20°C auf dem Mt. Kenya kletterte die Temperaturanzeige nun auf über 40°C!

Unser Reiseführer sagt, dass Isiolo der nördlichste Ort ist, wo man noch so etwas wie Infrastruktur hat, danach geht es 500 km auf rausten Pisten durch unwirtliches Gebiet ohne jede Versorgungsmöglichkeit bis zur äthiopischen Grenze. Wir stoppten in diesem Nest um abzuklären, ob es mit dem Carnet klappt – und wir fanden nach einer Stunde Wartezeit auf einen Computer und einer weiteren Viertelstunde bis das Mail geöffnet war heraus, dass es nicht klappte. Also noch einmal ein paar Stunden Internetcafe… Beim Warten auf Postnet und GMX konnten wir die Bildschirme der andern, auschliesslich männlichen, Kunden studieren. Und wirklich alle beschäftigten sich damit, Seiten mit extrem-islamischen Inhalten zu lesen. Da waren uns die aufdringlichen Schmuckverkäufer auf der Strasse gerade sympathisch dagegen…

Wir waren überhaupt nicht unglücklich, als wir Isiolo hinter uns liessen und die abartige Wellblechpiste unter die Räder nahmen. Am Ufer des Flusses Ewas N’goro befinden sich drei Nationlparks, die wir besuchen wollten. Coni wurde in dieser Umgebung schon sehr an ihr Geografie-Studium zurück erinnert, wo die Lösung der Konflikte rund um das kostbare Wasser des Ewaso N’goro immer wieder ein Thema war. Hier am Unterlauf des Flusses war das Wasser schon fast ausgetrocknet, und wir konnten uns lebhaft vorstellen, dass es zu Nutzungskonflikten zwischen den Samburu-Hirten (ein eng mit den Massai verwandter Volksstamm) und den Nationalparks kommt.

Tatsächlich entdeckten wir im Nationalpark als erstes keine Löwen und Giraffen, sondern grosse Rinder- und Schafherden. Doch der Park enttäuschte uns keinesfalls: Endlich wieder sahen wir die wunderschönen Oryx-Antilopen, die so perfekt an die Trockenheit angepasst sind. Als wir das erste Zebra entdeckten, mussten wir lachen: Hier findet sich das spezielle Grevy-Zebra mit ganz feinen Streifen, und insbesondere mit riesigen kreisrunden Ohren. Auch die Netzgiraffe ist eine Besonderheit. Und – wir konnten stundenlang ein Löwenpaar beim Sex beobachten, bis endlich eine erboste Elefantenkuh angaloppiert kam und die Löwen mit lautem Trompeten verscheuchte. Das war ein Spektakel! Wir hielten danach einen guten Sicherheitsabstand zum wütenden Elefanten, der in der Zwischenzeit in Rage einen trockenen Baum demolierte. Ansonsten waren die Elefanten aber mehr als nur friedlich, es war möglich durch ganze Herden und an jungen Tieren vorbei zu fahren, ohne dass nur ein Elefant auf uns reagierte. Trotzdem setzt eine solche Fahrt immer ziemlich viel Adrenalin frei!

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Die nächste Nacht verbrachten wir auf einem Campingplatz, der von einem Samburu-Frauendorf geführt wird. Wir diskutierten ein Weilchen mit Rosemarie über die Kulturunterschiede zwischen Samburu und Schweizern, wie wir heiraten, wie wir leben und ob es in der Schweiz Elefanten gibt. Danach beschlossen wir trotz ein paar negativen Dorfbesuchen, dieses Frauendorf zu besuchen. Rosemarie erklärte uns, dass es sich hier um Frauen handelt, die von ihren Männern weggeschickt wurden, und dass sie heute zum Grossteil von Tourismuseinnahmen lebten. Die Tour war sehr sympathisch, es gab Gesangsvorführungen der Frauen, einen Vorschulbesuch mit Gesang, wir konnten ihre Hütten betreten, und Rosmarie erklärte uns auch, wie ihre Frauengruppe andere Samburudörfer motiviert, mit der Klitoris-Beschneidung aufzuhören. Insgesamt ein sehr eindrückliches Projekt! Hier findet man mehr Infos.

Und als Höhepunkt erhielten wir ein Telefon von Coni’s Mutter, dass die Äthiopienvisa eingetroffen sind! Per Express wurden sie nach Nairobi verfrachtet, und wir machten uns zum vierten Mal auf Richtung Nairobi. Diese riesige Stadt ist lärmig, abgasverseucht, und der Verkehr kollabiert täglich total (zum Glück können wir während der stundenlangen Staus Hörbücher anhören). Wie noch in keiner afrikanischen Stadt davor prallen hier tiefstes Elend mit Slums in den Abfallhalden und schierer Reichtum mit einer beeindruckenden Skyline und teuer gekleideten Geschäftsleuten aufeinander. Für uns bietet Nairobi die üblichen Annehmlichkeiten wie riesige Einkaufszentren und lauschige (teure) Cafes (uiuiui, das gibt wieder eine Kreditkartenrechnung!). Lustigerweise waren diesmal nur Deutsche und Schweizer in der Jungle Junction, und wir verbrachten einen amüsanten Abend, wo wir uns gegenseitig mit Reiseanektoten und Gruselgeschichten zu überbieten versuchten.

Der einzige offizielle Grenzübergang nach Äthiopien führt über mehr als 500 km mühsamstes Wellblech und soll auch landschaftlich nicht überaus attraktiv sein. Daher reizte uns die sehr einsame und schlechte Piste den Lake Turkana entlang über die „grüne Grenze“ nach Südäthiopien. Diese Route wollten wir aus Sicherheitsgründen lieber nicht allein fahren, deshalb machten wir in der Jungle Junction in Nairobi einen Aushang und hatten auch Erfolg damit: Eric und Volker hatten Lust, diese Strecke mit uns zu fahren! Wir deckten uns in Nairobi nochmals mit Essen für ein paar Wochen ein, und sobald die Pässe eingetroffen waren, machten wir uns definitiv auf den Weg Richtung Äthiopien.

Da Volker und Eric sich gerade noch in den Hängen des Mt. Kenya befanden, konnten wir es gemütlich nehmen. Wir verbrachten einen Tag im privaten Naturpark Solio Ranch, wo unter strenger Bewachung Nashörner gehalten werden, deren Population sich erstaunlich gut erholt hat (heute gibt es 140 Breitmaul- und etwa 60 Spitzmaulnashörner). Breitmaulnashörner sind Grasfresser, und daher in der offenen Savanne leicht zu finden, wohingegen Spitzmaulnashörner Blätter fressen und im Gebüsch fast nicht zu entdecken sind. Diese Tiere sind richtige Maschinen, und als wir ihnen einmal zu nahe kamen und sie Richtung Yusuf lostrabten, war es uns schon nicht mehr ganz so wohl dabei (vor allem wenn wir uns eine Kollision von Horn und Reifen vorstellten). Als wir dann endlich auch noch ein paar Spitzmaulnashörner fotografieren konnten, hatten wir genügend Rhinos gesehen und fuhren nach Nyahururu zu den Thomson’s Falls. Wie so oft in Kenia waren wir die einzigen Touristen weit und breit und sofort von Verkäufern und Möchtegern-Führern umringt. Manchmal ist es nicht einfach mit diesem Andrang, denn einerseits wollen wir gerne die lokale Wirtschaft etwas fördern, indem wir dort etwas trinken oder auch einmal ein Souvenir kaufen. Andererseits sind wir nicht bereit, mit rührseligen Geschichten zu einem Kauf „gezwungen“ zu werden. Für uns ist es oft eine regelrechte Gratwanderung zwischen der Abstumpfung allen Nöten gegenüber und dem Gefühl, ständig als Bancomat ausgenutzt zu werden.

Kurz hinter Nyahururu endet die Teerstrasse, uns standen nun 1500 km rauste Pisten bevor. Im erstaunlich lebhaften Ort Maralal konnten wir noch ein letztes Mal Diesel auffüllen. Maralal ist berühmt für sein jährliches Camel Derby, und da Andi noch nie auf einem solchen Viech geritten war, machten wir eine kleine Kameltour in der Umgebung. Es war lustig, sich ein paar Stunden auf diesen Tieren durchschütteln zu lassen (vor allem aufstehen und absitzen ist Action!), aber schon ziemlich bald tat uns der Hintern weh. Noch vor Sonnenaufgang starteten wir dann für die lange Strecke an den Lake Turkana. Wir begannen in grünem fruchtbarem Hochland und bestaunten die spektakuläre Aussicht in das Rift Valley. Die steinige Strasse wand sich dann das Escarpment hinunter, und wir fanden uns in einer trockenen Savannenlandschaft wieder. Dann ging es über Stunden durch sandige Ebenen und felsige Hügel, und immer wieder tauchten mitten in dieser unwirtlichen Gegend kleine Hütten auf. Obwohl die Gegend einsam und friedlich wirkt, ist es ein Schauplatz von immer wiederkehrenden Viehdiebstählen zwischen den verschiedenen Völkern, die mit brachialer Gewalt und Todesopfern durchgeführt werden. Für Touristen bedeutet dies kaum eine Gefahr, da sie ja weder Kühe dabei haben noch welche stehlen wollen. Trotzdem war es uns nicht ganz geheuer, wenn mit Kalaschnikows bewaffnete Teenagerjungs uns mit grossen Gesten anbettelten oder zum anhalten winkten – und wir freundlich winkend einfach vorbei fuhren. Trotzdem, die ganze Strecke ist fantastisch schön, und als hinter der schwarzen Steinwüste plötzlich der Lake Turkana auftauchte, war es schon fast unwirklich. Die holperige Strasse hielt uns aber in der Realität zurück, und kurz vor Loiyangalani passierten wir einen stecken gebliebenen Toyota. Das Fahrzeug gehörte einem tschechischen Forscherteam, welches sich mit Fischparasiten im See beschäftigt. Sie waren sehr dankbar, dass wir sie mit ins Dorf nahmen, wo Hilfe für ihr Auto organisiert werden konnte – und wir hatten mit ihrem kenianischen Fahrer Daniel einen kompetenten Mechaniker, der schnell ein paar Probleme von Yusuf reparierte!

Loiyangalani ist eine Oase inmitten einer schwarzen Vulkanwüste am Ufer des salzhaltigen Turkanasees, und unser Campingplatz befand sich in einem Palmenhain. Jeden Abend wehen hier ein starke heisse Fallwinde, so dass man gut daran tut, sein Zelt in den Windschatten zu stellen. Wir wollten eigentlich einen Ausflug auf die vulkanische South Island machen, aber es wurden irrwitzige Preise für die Bootsfahrt verlangt, so dass wir dieses Unternehmen aufgaben und lieber mit dem Auto ein paar Ausflüge in die Umgebung machen wollten. Wir besuchten ein El-Molo-Dorf, das malerische Dorf eines kleinen freundlichen Fischervolkes, und bestaunten Oasen und Felsmalereien. Dann kreuzten Eric und Volker auf, und endlich lernten wir unsere „Reisegeschpändli“ kennen. Eric kommt aus New York und ist seit 2 Jahren mit seinem Toyota in Afrika unterwegs (er hat eine für Overlanders sehr hilfreiche Website), Volker ist aus Deutschland, lebt seit Jahren in Cape Town und ist nun gerade mit seinem Landy auf dem Weg in die Heimat (auch er hat einen Blog). Wir verstanden uns auf Anhieb gut, und bei einem ersten Bier begannen wir ein wenig, unsere Route zu besprechen. Um auf der sicheren Seite zu sein, tankten wir noch ein paar Liter völlig überteuerten Diesel aus Fässern, trieben ein paar Chapati auf und machten Waschtag. Abends wurden wir dann von den Tschechen zu einer Grillparty eingeladen, wozu eine Ziege geschlachtet wurde, und ausserdem gab es natürlich Fische, ihre verstorbenen Forschungsobjekte. Eric organisierte Bier, die Tschechen hatten selbstverständlich grosse Wodka-Vorräte dabei, und so gab es einen lustigen Abend.

Wir waren ziemlich gespannt auf unsere gemeinsame Reise, denn Konvoi fahren kann mühsam werden, wenn alle eine andere Geschwindigkeit fahren. Aber glücklicherweise machte das keine Probleme, und auch sonst konnten wir uns schnell einigen, was zum Beispiel Reiserouten oder Übernachtungsplätze anging. Nachdem wir am ersten Tag stundenlang durch einsamste Wüstenabschnitte und Flussoasen gefahren waren, konnten wir nicht widerstehen und suchten uns einen Platz für ein Buschcamp, einen wunderschönen einsamen Ort in einem Tal voller Bäume und Palmen. Als wir das Abendessen vorbereiteten, fiel Eric plötzlich ein, dass er ja Geburtstag hatte! Das musste gefeiert werden, Volker grub eine Flasche Wein aus und Coni backte einen kleinen Schoggikuchen.

Der direkte Weg nach Äthiopien führt durch den weltabgeschnittenen Sibiloi Nationalpark. Der Park erwies sich leider als sehr arm an Tieren – einmal abgesehen von den vielen illegalen Schaf- und Rinderherden, die man vor allem im nördlichen Teil des Parks sehen kann. Als einzige Attraktionen verfügt er über versteinerte Bäume und Krokodil- und Schildkrötenfossilien. Wir wollten wieder ein Buschcamp machen und waren ziemlich spät dran, da hatten zuerst wir und wenige Minuten später Eric je einen platten Reifen. Deshalb verliessen wir den Park erst bei Einbruch der Dunkelheit, und so stellten wir unsere Autos ganz einfach ans Seeufer, leider ohne Büsche, was sich in der Nacht beim altbekannten Wind mit starkem Flattern des Zeltes rächte.

Ganz in der Nähe befand sich die Forschungstation der Leakys, eines berühmten Hominiden-Forscherpaars. Obwohl die Leakys selber nicht da waren, wurden wir zum Frühstück eingeladen, während unsere Reifen geflickt wurden. Leider klappte das mit dem flicken nicht so richtig, Stunden später war unser Reifen noch immer undicht, und wir fuhren etwas genervt weiter Richtung Grenze. Im Nest Ileret gab es noch einmal einen längeren Stopp bei der Polizei (da es keinen offiziellen Grenzübergang gibt), und sie lachten uns aus als wir nach einer Poststelle fragten: Die nächste Post sei in Marsabit, 500 km von hier entfernt! Danach folgten wir einigen Wegspuren, bis unser GPS uns sagte, dass wir nun in Äthiopien seien.