4 Marokko II

22. Januar 2008

Wir hatten noch längst nicht genug vom Pisten fahren! So machten wir uns gleich wieder auf den Weg, weiter Richtung Meer. Nach einigen Verirrungen und Fahrten querfeldein über mühsame steinige Ebenen erreichten wir wieder eine herrliche Dünenlandschaft. Dünen sind erstens wunderschön und zweitens der grösste Spass zum fahren! Doch leider war nichts mit Einsamkeit: Hinter jeder Sanddüne stand ein Nomadenzelt mit Übernachtungsmöglichkeit sowie dem (nett ausgedrückt) Angebot eine Kameltour zu machen und Fossilien zu kaufen. Uns blieb also nichts anders übrig, als weiter in die Dünen hinein zu fahren um ein einsames Plätzchen zu finden. Mit etwas weniger Reifendruck und Andis Fahrkünsten schafften wir es zu einem wunderbaren Platz, der uns so gut gefiel, dass wir den ganzen nächsten Tag dort mit lesen, schlafen und Spaziergängen verbrachten! Besonders spannend war es, die Tierspuren zu studieren: Es wimmelte nur so von Mäusen, und auch ein Wüstenfuchs (Fennek) war unterwegs. Doch zum Glück fehlten jegliche Hinweise auf Schlangen und Skorpione!

Als wir am nächsten Morgen losfuhren waren wir etwas übermütig und wollten eine Steilabfahrt über die Dünen geniessen. Dummerweise war der Dünenkamm etwas zu steil, so dass wir bis zu den Achsen im Sand aufsassen! Nun hiess es erstmals richtig schaufeln. Um eine Erfahrung reicher verliessen wir das Erg und fuhren durch eine die restlichen Kilometer nach Foum Zguid. Als wir den Campingplatz in diesem Nest erreichten, war kein einziger Platz mehr frei, alles war besetzt von italienischen Rentnern in ihren Wohnmobilen! (was machen die dort bloss??) Da es schon dunkel war und wir auch wieder mal eine Dusche nötig hatten, mussten wir uns ein Hotel suchen. Zum Glück sind Marokkaner etwas unkomplizierter als Schweizer, so war es kein Problem, dass wir uns zu viert in einem Dreierzimmer einrichteten (der Vorteil ist, dass man hier pro Zimmer und nicht pro Person bezahlt).

Auf dem Weg zum Meer wollten wir uns die Felsgravuren anschauen, die auf unserer Karte eingetragen waren. Aber alles Suchen half nichts, wir fanden gar nichts. So fragten wir in einem Geschäft nach, ob es hier wirklich Felsmalereien gibt. Der Verkäufer versicherte uns dies. Als wir fragten, ob er einen Führer kennen würde, schloss er seinen Laden und stieg grad selber bei uns im Auto ein. Er kannte sich bestens aus, und zum Schluss wollte er überhaupt kein Geld. Das sind immer die Momente, wo wir unsere Meinung über die Marokkaner ändern müssen, denn häufig erleben wir sie als sehr aufdringlich, bettelnd und manchmal auch hinterhältig. Das merkwürdige ist ja, dass man den Leuten, die nichts verlangen, am liebsten gibt, und so bedankten wir uns mit einem Taschenmesser.

Als wir das Meer erreichten, war es schon fast dunkel. Alle hatten vom Plage Blanche geschwärmt, und so rechneten wir damit, einen grossen Campingplatz, womöglich sogar mit Waschmaschine und voll mit Rentnern in ihren Wohnmobilen vorzufinden. Doch wir fanden überhaupt nichts! Ein paar Wohnmobile standen oben auf der Klippe, kein Restaurant, kein WC, kein Wasser? Darauf waren wir nicht vorbereitet! So beschlossen wir so schnell wie möglich zur nächsten Stadt zu fahren – der schnellste Weg sollte dem Strand entlang führen (laut Küstenwache etwa eine Stunde). Bei Ebbe fuhren wir los, was für ein Spass! Auf dem nassen Sand kann man über 70 km/h fahren, es ist topfeben, ein völlig menschenleerer Sandstrand mit vielen Möwen und andern Vögeln. Ein Traum! Ein altes Schiffswrack gab ein besonders schönes Bild ab, und wir flitzten weiter. Plötzlich verlor das Auto drastisch an Geschwindigkeit und blieb mitten im Sand stecken. Alles schaufeln und stossen half nichts, nicht einmal den Reifendruck zu reduzieren. Die Sandbleche mussten her. Mit der Überzeugung, dass wir jetzt alle Methoden der Sandbergung kennen, fuhren wir weiter. Doch ein paar Kilometer weiter in einem etwas steileren Stück blieben wir wieder hoffnungslos stecken. Diesmal bekamen wir es mit der Angst zu tun: Das Meer stieg, weit und breit war keine Hilfe zu erwarten. Wenn wir das Auto nicht in kurzer Zeit bergen könnten, würde es unterspült werden und im Meer versinken! In grosser Hast schaufelten wir den Sand weg, unterlegten die Sandbleche und halfen stossen. Doch das Auto schaffte nur etwa zwei Meter.

Und so fing das ganze von vorne an bis es endlich wieder etwas festeren Grund hatte. Wenn der Strand aus Sand bestanden hätte, wäre es für unsern Yusuf kein Problem gewesen. Aber der Strand bestand einzig und allein aus Muschelresten! Darauf kann man einfach nicht fahren, das geht nicht. Einmal musste Andi mehr als einen Kilometer fahren, bis er anhalten und uns wieder aufladen konnte. Ein anderes Mal mussten wir etwa 20 Mal hintereinander die Bleche unterlegen, bis das Auto geborgen war. Um das Auto leichter zu machen, räumten wir alle Kisten aus und trugen sie durch diesen glitschigen Muschelsand dem Auto nach. Wir schaufelten, rannten und schwitzten in der heissen Sonne und waren völlig verzweifelt. Das konnte doch einfach nicht sein, dass der Weg hier durchführte! Als wir (nach 3 Stunden!) endlich bei der Klippe waren, wo der Weg hochführen sollte, war nichts zu sehen, alles nur steile Felswände. Wo waren wir da bloss gelandet? Da die Sonne schon fast unterging, blieb uns nichts anderes übrig, als unser Nachtlager aufzuschlagen. Viel Essen hatten wir nicht mehr, aber am Meer sass ein Fischer, und wir fragen ihn nach Fisch. Er verlangte einen unglaublichen Preis. Wir konnten ihn aber herunterhandeln unter der Bedingung, dass er bei uns mitessen darf, dies unter der Bedingung, dass er den Fisch zubereitete. Der Fischer fragte uns amüsiert, ob wir eigentlich überhaupt nicht kochen könnten, weil wir das Reis zu seiner grossen Verwunderung mit Tomaten kochten anstatt es wie normale Leute mit Milch und Zucker zuzubereiten. Mit dem Strandgut konnte ein schönes Feuer entzündet werden, es wurde ein wunderbarer Abend mit einem herrlichen Essen und einem spannenden Kulturaustausch.

03 Marokko _195_1

Am nächsten Morgen standen wir vor der Frage, wie wir diese Strecke wieder zurück fahren sollen. Schon bald fanden wir die Lösung: Die ganze schwierige Strecke hätten wir einfach 50 Meter weiter oben in hundsgewöhnlichen kleinen Sanddünen fahren können! In kurzer Zeit hatten wir die ganze Strecke ohne nur ein bisschen zu stossen oder zu schaufeln zurückgelegt! Wir sind ja Helden! Wir stellten dann auch fest, dass der Weg genau beim Schiffswrack nach oben führte, und vor lauter Begeisterung über dieses Fotomotiv hatten wir gestern den richtigen Weg verpasst. Soviel zum Thema Helden. So fuhren wir durch ein wunderschönes Tälchen Richtung Hauptstrasse. Dummerweise noch immer ohne GPS-Punkte, was uns einige Zeit mit Routensuche und Fahrten über steinige Ebenen bescherte. Wir waren noch selten so froh, wieder eine geteerte Strasse zu finden. Anstatt einer Stunde hatten wir zwei Tage gebraucht bis in die Stadt!

Nun sind wir in Laayoune, der grössten Stadt der Westsahara. Dieses Gebiet war mal spanische Kolonie und wurde nach seiner Unabhängigkeit sofort von Marokko annektiert. Bis heute ist die Regierungsfrage ungelöst, bzw. mit Landminen und ähnlichem unterdrueckt. Tom ist krank, und deshalb gingen wir zum ersten Mal in ein besseres Hotel mit eigenem Bad und all dem Komfort. Das geniessen wir jetzt gerade! Hoffentlich wird er bald wieder fit? Auch hier trafen wir uns mit Christen, die uns erzählten, dass man sich hier nur im Untergrund treffen darf, dass der Extremismus in Nordafrika stark zunimmt und die Al Kaida sehr in den Maghreb investiert. Auch für ihre Kinder ist es schwierig, weil sie in ihrer Schule die einzigen Ungläubigen sind. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen wie es ist, in einem Land zu leben wo man nicht selber über seine Religion entscheiden darf.